Mühevolle Denkanstöße
MAINZ – Wer etwas kauft, weil ihn die Verpackung oder Werbung für ein bestimmtes Produkt reizt, ist nicht selten enttäuscht, wenn der Inhalt so gar nicht dem entspricht, was die Hülle verheißt: „Meiner! Mir! Mich! – Auf der Suche nach der verlorenen Höflichkeit!“ heißt das 19. Programm des „Kabarett Kabbaratz“, das mittlerweile schon mit dem 20. auf Tournee ist.
Im Unterhaus spielten Evelyn Wendler und Peter Hoffmann jetzt ihr Plädoyer für die Höflichkeit und ließen nach einem etwas zäh tröpfelnden Beginn durchaus hörenswerte Ansätze erkennen. In einer Gesellschaft, in der die Ellenbogen gutes Benehmen zu oft verdrängen und Zumwinkel oder Ackermann als Vorbilder dienen, tut es gut, einmal über Anstand und gute Sitten nachzudenken. Und wo könnte man dies besser tun als im Kabarett, wo der gehobene Zeigefinger durch das Augenzwinkern ersetzt wird, ohne dabei den Ernst des Anliegens zu verraten?
Das „Kabarett Kabbaratz“ weiß um diese Verantwortung und fragt schelmisch, ob Deutschland höflich sei und sein müsse – gegenüber Putin, Berlusconi oder China. Im Jahr 2008 seien laut Statistik 193.000 Beleidigungen angezeigt worden, gibt Hoffmann zu bedenken und Wendler sinniert über Benimmkurse und die verordnete Höflichkeit an einer Telefonhotline. Aus der Flut der Ratgeber aus der Feder von Möchtegern-Knigges klauben die beiden mit spitzen Fingern ein paar alberne Beispiele und Hoffmann wundert sich über ein Buch mit dem Untertitel „Stil-Fibel für Manager“. Bei Investment-Bankern habe er einen Benimmtipp: „Pistole kaufen und ruhiges Waldstück suchen“.
Doch leider geht dem „Kabarett Kabbaratz“ zu schnell das Pulver aus. Große Teile des Programms nimmt ein zufälliges Zusammentreffen von Mann und Frau unterm Regenschirm ein, das wohl als Parabel über das menschliche Miteinander dienen soll, sich aber im grübelnden Dialog über oberflächliche Floskeln verliert und sich dabei über Gebühr in die Länge zieht.
Obwohl derart verwässerter Anstand durchaus ein gefundenes Fressen für Kabarettisten sein könnte, quittieren Wendler und Hoffmann dies leider zu oft mit Klischees von der handtuchbelegten Badeliege oder dem klingelnden Handy. Das Hinterfragen von Konventionen verläuft im Sande und der Ausflug in die interkulturelle Welt sittlicher Disparitäten mutet eher wie ein engagiertes Referat in der Ethik-Stunde an: Gehört hat man viel – doch bringt es einen auf der „Suche nach der verlorenen Höflichkeit“ weiter?