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Humoristisches Labyrinth

MAINZ (10. Mai 2024). Immer ist was, man kommt zu nichts. Diese Erkenntnis mag nicht neu sein, doch so, wie der Duisburger Kabarettist Kai Magnus Sting davon erzählt, wird man in die Atemlosigkeit seines Anakoluts, jene Form der abgebrochenen und verschachtelt neu begonnen Sätze, praktisch hineingesogen. Wie gewohnt steht er da im dunkelblauen Einreiher, Schlips und weißem Hemd und regt sich herrlich über jeden und alles auf. Und wie immer dauert es keine Minute und er hat das Unterhauspublikum in der Hand: Zumindest gefühlt wird atemlos gelacht und man stimmt nur zu gerne in das Gekicher ein.

Wie schon in den Programmen zuvor betrachtet Sting seine Umgebung mit Adleraugen, um sie mit dem Anstrich des Ruhrdialekts gnadenlos zu sezieren. Dabei fußt seine Komik auf drei soliden Säulen: Da ist das ständige labyrinthartige Anknüpfen an neue Gedanken, wobei er nach abenteuerlichen Wendungen immer wieder auf sein Sujet zurückkommt sowie das sich stetig steigernden Mokieren, dass man Angst um die Aorta des Künstlers bekommt. Und das Suchen nach dem richtigen Begriff, wobei sich das Publikum gerne als Stichwortgeber einspannen lässt, doch immer wieder hinters Licht geführt wird.

Amüsiert erkennt man sich in Szenen wieder und identifiziert sich gerne mit dem Selbstverständnis des Künstlers, denn der ist mit seiner Sicht der Dinge – natürlich – immer auf der richtigen Seite, hart angegangen von Eindrücken, dem Gegenüber und der Gattin, die auch hier wieder als „ständige Begleitung“ oder schlicht „sie“ benannt wird. Die kann übrigens „laut gucken“ und sofort fühlt er sich ertappt. Als er einen Nachbarn beim Tragen eines Umzugskartons beobachtet, bricht sie darüber einen famosen Streit vom Zaun und steigert sich in eine Tirade, vor der man sich nur noch wegducken möchte.

Was Sting perfekt beherrscht, ist die Kunst der Übertreibung, ohne dass es zu dick aufgetragen wirkt. Wie er das Grillfest von Freunden (seiner ständigen Begleiterin!) beschreibt, kommt einem bluttriefenden Schlachtenpanorama gleich und die Darstellung des engen Gästeklos erlebt man fast klaustrophobisch mit. Herrlich auch die Schilderung von Ommas [sic!] Küche, die von deren typischen Aussprüchen widerzuhallen scheint und wo die Maggiflasche stets griffbereit steht. Ob Muffensuche im Baumarkt oder Hosenkauf – bei Kai Magnus Sting ist man stets mittendrin.

Dabei geht der Kabarettist immer wieder gewinnend auf sein Publikum ein, pickt einzelne Informationen zu Berufen, Spieleabende, Geburtstage oder Sternzeichen heraus und baut sie gekonnt in die Nummern seines neuen Programms ein, das übrigens „Ja, wie?! Tacheles und Wurstsalat“ heißt. Die linguistische Behandlung des Ruhrdialekts ist dabei ein weiterer bewährter und beliebter Garant seiner Komik, der man staunend und vor Lachend schnappatmend lauscht. Alles, auch der abwegigste Gedanke – und man könnte hohe Beträge drauf verwetten, dass Sting ihm folgt – ist herrlich komisch.

Man geht also köstlich unterhalten nach Hause – und berührt, denn dieser Künstler ist sich des Genius’ loci, in dem er in Mainz auftritt, in besonderer Weise bewusst: was hier schon für Heroen der Kleinkunst gespielt hätten (von denen der Duisburger bereitwillig und neugierig lernte) und was für eine Bedeutung gerade das Unterhaus für die Kabarettszene habe. Gut, dass das immer mal wieder erwähnt wird: Eine solche Bühne ist keine Selbstständigkeit. Und wenn jemand wie Kai Magnus Sting hier auftritt, dann vibriert die Luft irgendwie anders.

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