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Anarchist des Geistes

MAINZ (1. Mai 2011). Nun hat er ihn also doch noch persönlich bekommen, den Deutschen Kleinkunstpreis: Zur Verleihung 2007 war die Berliner Kodderschnauze Kurt Krömer verhindert, so dass Ute Nebel als Programmchefin des Mainzer Unterhauses anlässlich eines Gastspiels endlich Glocke und Urkunde loswerden konnte. Was unspektakulär über die Bühne ging, war doch bemerkenswert, zeigte sich der Ausnahmekomiker doch für einen Augenblick von einer berührten, direkten und eher intimen Seite.

Zugegeben, die andere ist lustiger: Krömer akzeptiert eine Grenze nur, um sie zu durchbrechen, was er mit seinem musikalischen Pendant Helge Schneider gemein hat. Ansonsten ist der Berliner unvergleichlich komisch. Mit einer pikant abgeschmeckten Mixtur aus Hau drauf-Humor und feiner Pointe treibt Krömer seine Club-Tour „Kröm de la Kröm“ voran: „Kann ick ma‘ hier durch? Ick bin schwanger?“ ist der erste Satz, den das Publikum hört – gefolgt von Gelächter über den eigenen Witz. Und dann eine wunderbar humorvolle Arabesque, wenn Krömer, noch im Faltenwurf, fragt: „Was ist eigentlich hinter dem Vorhang?“ Die Antwort ist ein begeisterter Begrüßungsapplaus, an dem sich der Künstler den Abend über so richtig satt essen darf.

Ihm fehlen allerdings die Themen, was keine Kritik, sondern eine Feststellung Krömers selbst ist. Auf der FDP will er nicht mehr herumhacken, vor allem nicht auf deren neuer Führung: „Ick sach‘ doch nischt über ausländische Kinder!“ Aktuelles wird gestreift: „Stuttgart 21? Hauptsache ist, der Straßenstrich bleibt, wo er ist.“ Dabei fällt auf, dass wirklich gelungene Pointen des politischen Kabaretts im Publikum kaum Reaktionen hervorrufen: „Knut ist tot! Schön und gut, aber in Fokushima sterben 12.000 Menschen.“ Bei anderen Kollegen hätte es jetzt Szenenapplaus gegeben – von Krömer aber erwartet man offenbar keine ernsthaften Gedanken.

Der berichtet lieber über die Freundlichkeit Berliner Einzelhändler, seine Erlebnisse in der Meldestelle und mit der Telekom. Er genießt die Pause größtenteils auf der Bühne, raucht und versucht, das Publikum aus dem Saal zu bekommen. Eine Mikropanne wird gekonnt eingebaut und die Tuchfühlung zum Publikum kann vor allem der genießen, der für Krömer unerreichbar in der Mitte sitzt: „Kennste Prinz Ernst August?“, wird die Pressefotografin angefahren und einer Frau aus Alsheim dankt er für die Steilvorlage.

Wie kein anderer gibt er den Clown im eigenwilligen Kostüm. Statt roter Nase ist es die Brille, statt großer Schuhe ein stilfreies Outfit, aus dem Krömer heraus seine einzigartige Komik pflegt – als „Nierenstein der Weisen“ und „des Pudels Kernkompetenz“, wie es dereinst auf seinem Grabstein stehen soll. Man weiß eben nie, wo hier Realität aufhört und Fiktion beginnt. Oder ist Krömers achtjähriger Sohn wirklich steckengeblieben, als er versuchte, in eine Babyklappe zu kriechen? Nach diesem Abend könnte man das verstehen…

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