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„Leipziger Pfeffermühle“ mit neuen Körnern

MAINZ – Die Kartenpreise für das Gastspiel der „Leipziger Pfeffermühle“ im Unterhaus wurden zwar nicht gesenkt, aber das aktuelle Programm verspricht ja auch keinen Nachlass, sondern „30% Rabattzzz“. Und den machen die Alt-Pfeffermüller Burkhard Damrau und Dieter Richter mit ihrem stimmgewaltigen Neuzugang Franziska Schneider, die seit 2008 mit von der Partie ist, gewaltig.

Den Mahlgrad der „Leipziger Pfeffermühle“ stellen die drei verschieden ein: mal grobkörnig, mal fein geschrotet. Doch was „unten“ rauskommt, hat meist die nötige Würze: pikant wie grüner, scharf wie weißer und kraftvoll wie schwarzer Pfeffer. Denn das oft schon totgesagte klassische Ensemble-Kabarett ist hier lebendig wie eh und je, zumal ja auch das Antike oft mehr Charme hat als das nicht selten erzwungen Neue.

Die Pfeffermüller sind sauer. Und nur noch zu 30 Prozent interessiert, engagiert, involviert und couragiert, wodurch sie den Begriff der Politikverdrossenheit zu einem Teig auswalzen, der sich klebrig und fad über die gesamte Gesellschaft zu ergießen droht. Somit hält das Trio seinem Mainzer Publikum schon im ersten Lied, das wie das gesamte Programm schwungvoll von Marcus Ludwig am Piano und Peter Jakublik am Schlagzeug begleitet wird, gnadenlos den Spiegel vor. Denn: Zu wie viel Prozent ist man den selber noch der engagierte, respektive entnervte Staatsbürger?

Zu viele Themen erfordern „30% Rabattzzz“! Das deutsche „Großborgertum“, die SPD, die „im Selbstversuch nach inhaltlichen Tiefpunkten so lange regiert, bis sie schwarz wird“, die Linke, die mit 30 Prozent im Osten immerhin ein Minus von 70 verzeichnen muss oder die per Losverfahren zugeteilte Pension: Ohnehin nur noch als Symbol bedeutsam hat der Deutsche Rentenbund Gier und Mitnahmementalität einen Riegel vorgeschoben und klärt über das „antiquierte Verständnis des Begriffs Rentenanspruch“ auf.

Hier reimt sich „Benz“ auf „Privatinsolvenz“, wird grenzdebil das Bildungsdefizit-Wachstum besungen und am Bahnhofsgespräch treffen sich mit Manager und suizidbereitem Clochard die gescheiterten Existenzen der Moderne. Die Sprache wird zur Waffe – und das nicht nur gegen Beipackzettelleser und Studenten von Handy-Bedienungsanleitungen. Aktuell leuchten die „Pfeffermühle“ die Finanzkrise bis in den letzten Zumwinkel aus und der Deutsche Michel steigt geladen bis zum Anschlag aus seinem Bett: „Mensch, denen in Berlin muss das doch Spaß machen, Leute wie uns zu regieren“, schallt es der schweigenden Mehrheit entgegen.

Zwischen bärbeißigem Kabarett und feinen Parabeln über das Privateigentum anhand eines am Regenschirm aufgehängten neuen Sozialismus-Versuchs, albernem Bahntarif-Poker im schmerzend breiten Sächsisch und Klage über fehlenden Zahnersatz mit einem Tsunami des Lispelspritzens exklusiv für die erste Reihe bewegen sich die einzelnen Nummern. Von denen einige allerdings schlicht zu lang sind. Auch wenn es schmerzt, einen guten Text zu kürzen: 30 Prozent weniger wären zuweilen mehr gewesen…

Dass Franziska Schneider als diplomierte Sängerin frischen Wind in die Pfeffermühle bläst, tut dieser mehr als gut. 1981 in Schmalkalden geboren ist sie ein Kind des Ostens und des Westens, wodurch sie ihren beiden Biedermännern Damrau und Richter gekonnt Paroli bieten kann: Kabarettistisches Urgestein trifft hier auf weibliches Potenzial, was die „Leipziger Pfeffermühle“ richtig schön in Schwung hält. Langsam gemahlen wurde hier zwar auch vor Franziska Schneider nun wirklich nicht – im wahrsten Wortsinn peppiger ist der Pfeffer jetzt aber allemal.

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