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Ton- und Wortträger in einem

MAINZ (07. Oktober 2016). Am Ende ist klar: Er war großartig. Der Abend und dieser Künstler namens Lennart Schilgen. Sein Programm „Engelszungenbrecher“ trägt zwar den Untertitel „Lieder & Schabernack. Seit 1806“, ist aber das erste Solo dieses grundsympathischen, jungen Barden und das Gastspiel im Unterhaus sein Mainz-Debüt. Schilgen ist auch Mitglied der kabarettistischen Band „Tonträger“, solistisch aber eine echte Entdeckung.

Was an diesem Musiker besticht, ist neben grundsolidem Handwerk und einer Funken schlagenden Sprachkunst vor allem eine Authentizität, die in dieser Direktheit selten ist: Statt eines durchgestylten und rundgelutschten Programms präsentiert Schilgen auf der kleinen Unterhaus-Bühne seine Songs mit einer hinreißenden Fahrigkeit, die durchaus an den jungen Otto Waalkes erinnert.

„Ich mache Lieder mit Gitarre und Klavier und deutschen Texten – genug gequatscht“, begrüßt der 27-jährige Berliner seine Gäste und legt gleich mal mit dem „Liegenbleiben-Blues“ los. Zwischen Klampfe und Tasten wechselnd singt er von Liebe oder Revolutionären, die nur tätig werden, wenn sie keinen stören. Der Song von Miriams Handyknipsereien hat inhaltlich das Zeug zur Hymne aller Berufsfotografen und der „Shouter einer Black-Metal-Band“, der mit piepsiger Stimme von seinem Tun erzählt, versprüht eine prickelnde Spannung zwischen Form und Inhalt.

Die musikalische Qualität ist also beachtlich und die einnehmende Persönlichkeit des Künstlers, der das allzu Professionelle auf so erfrischende Art fehlt, verweist durchaus auf große Kollegen – vor allem beim „Kampflied gegen die Entschlossenheit“ oder bei den handfesten und griffigen „Erinnerungen an die Kindheit“ hat Schilgen etwas vom entwaffnend Unbedarften des frühen Reinhard Mey: Je (vermeintlich) leiser der Künstler, umso intensiver ist seine Bühnenpräsenz.

Beklatscht werden nicht nur die Songs, sondern vor allem auch die Texte. Eine Glanznummer ist hier die Adaption des berühmten Ernst-Jandl-Poems „Ottos Mops“, aus dem Schilgen kurzerhand „Pauls Gaul“, „Gerds Pferd“ oder „Ottos Motorboot“ dichtet.

Zugegebenermaßen hat „Engelszungenbrecher“ noch ein paar Ecken und Kanten, die es vielleicht abzuschleifen gilt, um dem Solo griffigere Kontur zu verleihen. Doch wurde an diesem Abend just im 50. Jubeljahr des Mainzer Unterhauses die Aufgabe seiner kleinen Bühne einmal mehr wunderbar deutlich dokumentiert: Hier probiert jemand sich und etwas aus. Gemessen am begeisterten Schlussapplaus ist dieses Experiment bestens gelungen. Bitte mehr davon.

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