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Unterhaltsames Warten auf „Mr. Right“

MAINZ (21. November 2014). Es hat nicht sollen sein, die kleine Wohnung in München für 1,4 Millionen: Luise Kinseher muss also weiter auf die Bühne und ihr famoses Talent als Kabarettistin unter Beweis stellen.

Außerdem gibt es ja noch so viel anderes Ungemach: „Kriege, Wirtschaftskrise, Flüchtlinge, Österreich.“ Aber Kinseher weiß: Panik in einem abstürzenden Fahrstuhl führt ebenfalls zum Tod. Und so beschließt sie in ihrem neuen Programm, den Titel zum künftigen Lebensmotto zu machen: „Ruhe bewahren!“

Doch das ist gar nicht mal so leicht, denn die Künstlerin befindet sich in innerer Aufruhr: Gestern traf sie im Hotel-Fahrstuhl den Traummann: „Der ist so wie ich: intelligent, geistreich, erotisch.“ Wo die Niederbayerin Recht hat, hat sie Recht. Er bekam ihre Nummer, sie ein „Bis bald“. Seitdem wartet Kinseher auf ein Lebenszeichen und schaut immer wieder aufs Handy: herrlich, welche Szenarien sie sich da ausmalt.

Das Geheimnis sei bereits gelüftet: Am Ende ruft er an. In den Minuten dazwischen aber entspinnt Kinseher ein fesselndes Programm, das gleichermaßen vergnügt wie nachdenklich stimmt. Charmant flirtet sie mit dem Publikum. Sie muss nur mit den Augen klimpern und die Erotik knistert selbst noch in der elften Reihe – faszinierend. Auch hier also: Ruhe bewahren!

Die Zeit ist Kinsehers Thema: Ihr Einfluss auf uns und unser Umgang mit ihr. Dafür schlüpft sie mimisch elegant in die Rolle der Seniorin Helga Frese und erzählt von der Alzheimer-Erkrankung ihres Gatten Heinz, für den sie Pflege beantragen will. Das Angebot: Bein abhacken, dann habe er Stufe 1, rät der Mann von der Versicherung: „Wer früher stirbt, ist billiger.“ Zynisch wie die Realität. Brillant spielt Kinseher auch die trunkene Mary from Bavaria: authentisch lallt sie ihre hochprozentigen Pointen, dass man sich mit ihr im „Stüberl“ wähnt – bei einem „Hopfen-Smoothie“.

Soll man für das Alter vorsorgen? Und wer finanziert dann die Gewichtsprobleme? Soll man auf „Mr. Right“ warten oder in der Zwischenzeit üben? Aus den Fehlern lernen? „Gemessen an meinen Fehltritten müsste ich jetzt schon eine weise alte Frau sein.“ Zeit wird konsumiert, verschwendet, alles muss immer schneller gehen – eilt der Mensch seiner Evolution etwa voraus und kommt nicht nach? Banker verschöben in Sekunden Millionen um den Globus und ruinierten die Welt: „Lass‘ eine Horde Schimpansen in Deine Bulthaup-Küche – da bleibt auch nix von.“

Humorvolles Philosophieren mit garstigen Seitenhieben: Als „Mama Bavaria“ glänzt Kinseher seit 2010 beim traditionellen „Politiker-Derblecken“ auf dem Münchner Nockerberg und lieferte im Unterhaus eine Version en miniature ab, in der sie sich Bayerns Kabinett vorknöpfte: „Die nehmen doch alle was.“ Und Angela Merkel wahrscheinlich Emotionskiller – auch ein Umgang mit der Zeit: Aussitzen.

Schnell, viel zu schnell vergeht der Abend, bis endlich das Handy klingelt. „Am Ende ist wichtig, dass gelacht worden ist“, hatte Kinseher zu Beginn formuliert – Ziel erreicht, Plan übererfüllt.

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