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Mit dem Känguru auf Du

MAINZ – „Wenn alle Stricke reißen – kann man sich nicht mal mehr aufhängen“ hieß das erste Solo-Programm von Marc-Uwe Kling. Mit dabei schon damals: das Känguru, jener kommunistische Mitbewohner Klings. Kein Wunder, dass auch das zweite Solo vom tierischen Untermieter bestimmt wird.

Die „Känguru-Chroniken“ heißt nicht nur das im April erschienene Taschenbuch, sondern auch das neue Programm von Marc-Uwe Kling. Mit dem debütierte er jetzt im Unterhaus – und zwar vor ausverkauften Reihen.

Durchaus bemerkenswert, gehört dieser Dichter und Denker doch zu einer neuen Generation von Kabarettisten: Bodo Wartke, Horst Evers oder Hagen Rether – übrigens alle bereits kleinkunstpreisgekrönt – und eben auch Marc-Uwe Kling haben sich von der oft biederen Politpointe abgewandt und sprechen vor allem ein jüngeres, begeisterungsfähiges Publikum an, ohne auf der Oberfläche der puren Comedy zu paddeln.

Und wie funktioniert das bei Kling? Zum einen durch die lockere, fast schon schnoddrige Art, wie er dem Zuhörer begegnet: Verständnisvoll für eine Null Bock-Einstellung, aber voll von Ideen und begnadet beim Formulieren verquerer Gedanken nimmt er seine Zuhörer mit in das Geschehen hinein. Wenn er in kurzen Geschichten von seinen Abenteuern mit dem Känguru erzählt, ist man dabei und hört dem großfüßigen Genossen begeistert zu, wenn er seine Theorien über Wirtschaft und Gesellschaft äußert.

Herrlich abstrus und doch immer mit dem Funken Wahrheit, der die Zündschnur für ein Feuerwerk aus intelligenten und brillanten Pointen anbrennt, sind diese Känguru-Chroniken: Da spielen die beiden Monopoly und der australische Fellkumpel will partout die Bank verstaatlichen, das Gefängnis schließen und statt Hotels zu bauen lieber die Häuser besetzen. Oder er bekommt am Flughafen Ärger mit dem Sicherheitspersonal, provoziert Köter kickend Neonazis und gerät am Tresen mit seinem Mitbewohner in eine alkoholgetränkte Zeitschleife.

Doch Marc-Uwe Kling zaubert nicht nur hinreißende Geschichten aus seinem schwarzen Hut: In Liedern an Gitarre und Klavier singt er gegen den Faschismus, von outgesourcter und schließlich liquidierter „Liebe in den Zeiten der Cola“ oder Terroristen mit Flugangst und trägt feinst gearbeitete Gedichte vor wie das von Herakles, der mit einer neunköpfigen Hydra wie an einer Service-Hotline ringt.

Ein gewaltiger Höhepunkt sind auch seine Kommentare zur Reaktion einer reaktionären Berliner Zeitung auf sein forsches Lied „Gewalt ist keine Lösung, aber…“, in dem die „Qualitätsjournalisten“ meinten, einen Aufruf zum Mord an einem prominenten Deutschen Banker herauszuhören. Das Attribut „geistiger Terrorbrandstifter“ quittiert Kling nur mit einem stolzen Lächeln und die schelmische Medienschelte gipfelt in einem investigativen Interview mit sich selbst, da jene Presseorgane nicht mit ihm selbst reden mochten.

Diese Brillanz gibt den Kollegen der Neuen Westfälischen Zeitung Recht, die den Sieger der deutschsprachigen Poetry Slam-Meisterschaften 2007 „jetzt schon zum Besten, was die deutsche Kabarettlandschaft zu bieten hat“ erklärten.

Wärmstens empfohlen sei noch das Buch „Die Känguru-Chroniken“, erschienen im Ullstein-Verlag für 7,95 Euro (ISBN: 35483725701). Im Mainzer Unterhaus kokettierte der Autor finanzstark: „Für Euch heute 8,- Euro.“ und erntete prompt eine Frage aus dem Publikum: „Und was sagt das Känguru dazu?“

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