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Satz und Sieg

MAINZ (21. September 2018). Wenn schon, denn schon: Die bekannte Fanfare der 20th Century Fox-Studios kündigt den Lyriker und Pianisten Marco Tschirpke an – die Melodie wird allerdings mehr als schräg auf der Blockflöte intoniert. Es ist eine von vielen ironischen Brechungen, die den Abend zu einem Festbankett für Kleinkunst-Gourmets machen – schließlich trägt er den Titel „Empirisch belegte Brötchen“.

So lautet auch die Pointe des Gedichts „Emeritierter Professor“, das sich auf Seite 169 seines jüngsten, im Januar bei Ullstein erschienenen Buches findet. Hieraus und aus „Frühling, Sommer, Herbst und Günther“ rezitierte Tschirpke nun einen Abend lang seine geistvollen Poeme über Martinsgänse, die durch nebelfeuchte Wiesen auf die Mägen der Leser zuwatscheln oder die Gesten einer Bäuerin, über Schafe und Wölfe oder Erotik ohne Menschen.

Schalkhaft parliert er da am Flügel und man kommt gar nicht umhin, diesen Dichter mit einem anderen großen wie großartigen Humoristen zu vergleichen: Heinz Erhardt. Mit ihm hat Tschirpke die tiefe Liebe zur Sprache und zur Musik gemein, den versteckten, leisen Scherz, der sich nur dem offenbart, der zuhören kann: „Voller Witz, Intelligenz und auch in Momenten wohlgesetzter Bosheit nie ohne Charme“, attestiert ihm sein Kollege Horst Evers. Recht hat er: Tschirpke bezaubert durch den gedämpften Paukenschlag, die unerwartete Wendung, die aber doch eigentlich ganz logisch ist, wenn man den Worten nachhorcht.

Im Gespräch nach der Vorstellung scheint es der Dichter fast ein wenig zu bedauern, dass seine Kunst nicht so tagesaktuell ist wie die des politischen Kabaretts. Doch braucht es in einer Zeit, in der die Regierenden durch ihr Handeln eine Persiflage unnötig machen, nicht Poeten, die dem Geist eine erholsame Pause gönnen, indem sie den Blick auf die Schönheit von Klang und Wort lenken? Die Aufgabe der Kunst, wird der Dramatiker Peter Hacks zu Beginn zitiert, bestehe darin, erschöpfte Menschen auf nicht ekelhafte Weise zu zerstreuen.

Das gelingt Marco Tschirpke bestens: Der Sprachvirtuose ist ein Meister seines Fachs, sein Umgang mit Reim und Versmaß fließend leicht, seine Moderation ungekünstelt, spontan. Und zuweilen wird es richtig diabolisch-hintersinnig, wie ein im aktuellen Buch abgedruckter E-Mail-Wechsel mit einer kritischen Leserin (Dr. Klara Drenker-Nägels, Direktorin des August-Macke-Hauses Bonn) buchstäblich dokumentiert. Tschirpkes Gedichtbände liegen bereits auf dem Nachttisch – empirisch belegte Brötchen als Nachtisch.

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