» Kleinkunst

Versprühte Fröhlichkeit

MAINZ (12. März 2025). Wären Hits planbar, so könnte wohl jeder rasch Plattenmillionär werden. Nein, hierfür braucht es neben ordentlich Talent, Charisma und Gespür für das Thema schlichtweg den richtigen Zeitpunkt sowie kein zu kleines Quäntchen Glück – und bei allem Respekt: eine Masse, der das Lied gefällt und die bereit ist, dafür viel Geld auszugeben. Im Falle der „unwahrscheinlichen Hits“, die die Sängerin Marie Diot mit ihrem Gitarristen Fabi(an Großberg) jetzt im kleinen Unterhaus vorstellte, dürfte letzteres wohl der Knackpunkt sein. Alles andere ist bei ihnen offenbar in Hülle und Fülle vorhanden.

Ohnehin funktioniert Kleinkunst nicht zwingend auf großen Bühnen: Maries Lieder brauchen die Nähe, ja leben davon. Julia Geusch, wie die Künstlerin mit bürgerlichem Namen heißt, hat ein einnehmendes Wesen, das sofort eine Brücke zum Publikum baut, auf der sie zum Klang ihrer Lieder ihre sprachlichen Pirouetten dreht. Die Dame ist schlicht ein Charmebolzen, die das Auditorium mit einem offenen Lächeln über An- und Einsichten staunen lässt.

Da ist das Lied „Ein Wunder“, in dem Marie und Fabi darüber sinnieren, warum Menschen trotz des zunehmenden Wahnsinns um sie herum so etwas wie Glück verspüren, das Baby hingegen weint, obwohl es doch noch nichts vom Elend der Welt weiß, und was das alles vielleicht mit glücklich machenden Kuchendüften zu tun hat. Texte und Songs der Sängerin mit dem architektonisch anspruchsvollen Kopfschmuck aus Rastalocken sind alle handgemacht und entstehen aus liebevollen Beobachtungen des Alltags – in diesem Falle der auffälligen Zusammenrottung schwangerer Frauen in einem Café in Hannover, über dem das Duo das Glück hatte zu wohnen.

Ob es eine Gegensprechanlage ist, die zur Steigerung der Lebensqualität beiträgt, erfolgloses Angeln, das schwierige Zusammenleben mit einem Elefanten auf kleinstem Raum oder eine Hymne auf den putzigen Pomeranian Spitz (laut Marie eine 20 Zentimeter hohe Zuckerwatte mit Ohren), der den Künstlern bei seinem Anblick auch den düstersten Tag aufhellt – sie finden das Glück stets im Kleinen, Unscheinbaren und wecken im Publikum den Wunsch, es gleich zu tun. Marie und Fabi brauchen gar keine Extreme, um sich in ein Herz hineinzusingen. Zuhören reicht – und schon ist die besungene „Weltverschlossenheit“ kein Thema mehr.

Um die Songs selbst macht die Künstlerin, die sich selbst am Klavier begleitet, nicht viele Worte – um sie herum dafür umso mehr: Doch auch ihre Sermone sind grundsympathisch und herzlich, geben der Künstlerin geradezu einen putzigen Touch, der durch die großen Augen, mit denen sie auf die Welt um sich schaut, noch verstärkt wird. Marie hat keine große Röhre, aber eine Stimme, der man gerne lauscht, wobei es ganz egal ist, ob sie singt oder spricht. All das paart sich mit einer grandiosen Sprachverliebtheit und Musikalität sowie dem Gefühl für den richtigen Ton zu einem ganz besonderen Abend, der eine Fröhlichkeit versprüht, deren Duft noch eine ganze Weile im Raum steht – und das Publikum hoffentlich noch eine Zeit lang umweht.

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