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Satirische Senge

MAINZ – Wortwitz gepaart mit galligem Hintersinn – dieses Markenzeichen des Kabarettisten Martin Buchholz leuchtet auch im 20. Programm durch die Nacht der Gegenwart. „Geh! Denken!“ heißt es im 20. Jahr nach dem Mauerfall zwischen Schweinegrippe, Bankenkrise und Sozialdemokratie.

Als er vor dem Mauerfall wagte, in einem seiner Programme die deutsche Wiedervereinigung zu thematisieren, brachte ihm das damals publizistische Schelte ein: Amüsiert zitierte das satirische Schergewicht Martin Buchholz diese Kritik während seines Unterhaus-Gastspiels mit dem vielsagenden Titel „Geh! Denken!“. Doch hatte er sich damals nicht geirrt. Und heute? Gibt er dem amtierenden Arbeitsminister Jung „noch zwei Tage“.

Nach kurzem Aufwärmtraining der Lachmuskulatur auf Kosten der Bahn („Der Rücktritt Mehdorns war ein schmerzlicher Verlust – von dem habe ich jahrelang gelebt!“ – beginnt Buchholz seine satirische Senge und teilt nach allen Seiten aus. Wobei die stärksten Hiebe natürlich stets das aktuellste „Opfer“ abbekommt. Und das war diesmal die SPD. Hier hörte das Publikum eine Trauerrede auf ein Unfallopfer: „Sie ist gegen die Wand gefahren.“ Die CDU habe für sie aber schon die Abwrackprämie kassiert und sich ein neues Gefährt zugelegt: „Hoch auf dem gelben Wagen.“ Und weil die neue Generälin fordert, es müsse ein „neues Bewusstsein heranwachsen“, prophezeit Buchholz: „Wenn es herangewachsen ist, tritt es aus der SPD aus.“ Immerhin sei jetzt ein früherer Umweltminister Parteichef: „Gabriel recycelt alles und heraus kommen viele neue Flaschen.“

Mit Berliner Kodderschnauze macht Buchholz bestes „Markabarett“. Und das mit einer Schärfe, die einem zuweilen die Luft nimmt: Man erwartet eine Prise Pfeffer und bekommt ein Bündel Chili-Schoten. Ein Sarrazin-Zitat – übrigens der einzige abgelesene Satz des Abends: „So was werd‘ ich noch auswendig lernen…“ – spinnt der Satiriker mit schneidendem Zynismus weiter, denn schließlich „sind ja einzig die arbeitslosen Massen an der Massenarbeitslosigkeit schuld“. An anderer Stelle folgt der Beweis, dass sich hierzulande die Zukunft leider oft an der Vergangenheit orientiere, denn schließlich offenbare sich im Fackellicht brennender Flüchtlingsunterkünfte die Bedeutung des Wortes Scheinasylant: „Die deutsche Gegenwart hat leider nichts besseres zu tun, als die Übertreibungen der Satire abzuwarten, um sie dann wortgetreu umzusetzen.“

Zeit zum Luftholen bleibt kaum und Buchholz springt vom Brandaktuellen zur restropektiven Nabelschau: „In Deutschland wird alles geteilt: Die einen bekommen die Vorteile, die anderen die Nachteile“, impft er seinem Publikum ein: „Die einen haben Schwein, die anderen kriegen die Grippe.“ Auch zum Jahrestag des Mauerfalls hat Buchholz ein Panoptikum an Pointen parat: „Der Westen hat den Osten nicht übernommen: Der hat sich übergeben.“ Und zwar kollektiv: „Also bricht alles zusammen.“ Wortwitz gepaart mit galligem Hintersinn – dieses Markenzeichen leuchtet auch in Buchholz‘ 20. Programm durch die Nacht der Gegenwart.

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