» Kleinkunst

Verbale Masken

MAINZ (5. Februar 2019). Er pflegt die Kunst der Parodie wie kaum ein anderer. Und vermeidet dabei den Kardinalsfehler, mit seinen Figuren in der Vergangenheit hängen zu bleiben: Helmut Kohl oder Klaus Kinski mögen sich meisterlich imitieren lassen – aber sie sind vor allem eines: tot. Weitaus lebendiger ist Mathias Richlings Kabarett, denn er orientiert sich an der Gegenwart: Sein Programm „Richling und 2084“ ist brandaktuell und richtet den Blick sogar noch in die Zukunft.

Und die ist weitaus schlimmer, als es sich George Orwell für das Jahr zehn Dekaden zuvor ausgemalt hat: Statt dass jener „Big Brother“ Angst und Schrecken verbreitet, ist er der fragwürdige Star einer TV-Show und das heimliche Lesen verbotener Bücher wird durch das Posten eines ganzes Leben auf Facebook und Instagram ersetzt. Kein Wunder, dass Richling als Martin Luther gegen jene „neuen Beichtstühle“ wettert. Es ist eine von über 20 Persönlichkeiten, denen der Schwabe an diesem Abend seine Stimme leiht.

„Die Mathias Richling Show“ im SWR gibt ihm die Bühne, vor TV-Publikum bestens maskiert, mimisch und gestisch die Großen der Politik nachzumachen und zu zeigen, wie klein sie eigentlich sind. Auf der Unterhaus-Bühne fehlen Puderquaste und Perücke dennoch nicht: Vor einer Videowand starren einen die Augen der jeweils Parodierten an und Richling lässt eine nach dem anderen auftreten – als erstes natürlich Angela Merkel, die im Jahr 2084 ihre 2.586 Regierungserklärung verliest und der selbst als Greisin mit locker sitzendem Gebiss das Wort „Homo-Ehe“ nur schwer über die Lippen geht, obwohl der Papst mittlerweile schwul und verheiratet ist.

Andrea Nahles, Wolfgang Schäuble, Anton Hofreiter, Cem Özdemir, Horst Seehofer, Christian Lindner – alle werden hier karikiert, mal mit spitzer, mal mit etwas breiterer Feder. Trump, Putin und Erdogan geraten etwas laut, doch kommt man während der 90-minütigen, pausenlosen Vorstellung ohnehin kaum zum Durchatmen. Peter Hahnes Betrachtungen des Flüchtlingsstroms triefen vor Zynismus, das Rededuell zwischen Manfred Kretschmann und seinem zum Praktikanten zurückgestuften Innenminister Thomas Strobl ist dagegen nur zu drollig.

Dazwischen blitzen kluge Bemerkungen zurück in die Gegenwart: Nur durch „Unfiguren“ wie Trump oder Erdogan entstünden auch Gegenbewegungen. Und man erfährt, warum die Kosten für den noch immer nicht fertigen Berliner Flughafen 2084 überschaubar sind – man muss die Gesamtkosten nur auf die Tage seit Baubeginn herunterrechnen.

zurück