Taxi ins Kanzleramt
MAINZ (21. Oktober 2015). Wenn das Mainzer Publikum den Kabarettisten Michael Frowin, der als „Chauffeur der Kanzlerin“ auftritt, nicht ohnehin schon durch seine TV-Präsenz in der Sendung „Kanzleramt Pforte D“ kennt, konnte es ihn in Mainz bereits gemeinsam mit dem Bariton Thomas Quasthoff erleben – im Frankfurter Hof beherrschte das Duo „Keine Kunst“, zuletzt waren die beiden damit auch Gast beim jüngsten 3sat-Festival. Mit seinem Solo „Anschnallen, Frau Merkel!“ debütierte Frowin jetzt auf der kleinen Bühne im nahezu ausverkauften Unterhaus.
Zu Beginn hat er Kanzleramtsminister Altmeier am Handy: Die Chefin hat ihr Tagebuch liegen lassen – mit putzigem Schlösschen. Der Versuchung, hier mal hineinzuspähen, erliegt Frowin schnell. Doch das ist nicht alles: Er kutschiert während der langen Sitzungen manch illustren Fahrgast und kann natürlich sozusagen aus dem Handschuhfach plaudern.
Frowin beherrscht die Kunst des dezenten und doch zupackenden Kabaretts bestens. Er seziert die Semantik der Kanzlerin, die sich zwischen prägnanter Kürze („Wir schaffen das!“) und verbalen Nebelkerzen bewegt: „Um diese Sätze zu entschlüsseln, brauchen die Algorithmen der NSA mehrere Tage.“ Als Fahrer kennt er auch die Gegner seiner Chefin, selbst in den eigenen Reihen: „Die CSU will Grenzzäune – wie feiern die Weihnachten? Denn wenn man Araber, Muslime und Juden weglässt, bleiben nur noch Ochs‘ und Esel übrig.“ Und das sind, weiß der Kutscher, Merkels Spitznamen für Seehofer und Dobrindt.
Frowins „Fahrtenbuch“ behandelt die „besorgten Bürger“, die bei Pegida mitmarschieren: „Keine Nazis“, beteuert der Kabarettist ätzend und deckt die Urangst auf: nicht vor Überfremdung, sondern schlicht vor allem Fremden. Als er den Unsinn der Demonstranten zitiert („Muslime bekommen viermal so viele Kinder wie Deutsche.“), erntet er sogar im Unterhaus ein „Stimmt doch“ und reagiert blitzschnell: „Ja was machen Sie dann noch hier im Kabarett?“ Er selbst leide unter Höhenangst: „Aber stelle ich mich vor die Alpen und werfe Steine dagegen?“
Nicht nur diese Logik überzeugt: Einer der „Fahrgäste“ ist ein PR-Manager, der vom Irrsinn der Leute lebt. Das Aufzeigen der Widersprüche, in der sich die Gesellschaft verheddert –passend: Ferienflieger und Protest gegen Fluglärm! –, geht viel zu schnell vorbei. Wenn Frowin sich über die Äußerlichkeiten der Kanzlerin auslässt, überlässt er dies allerdings seiner „Tante Erika“ – ein gekonnter Schachzug, der ihm das Fischen an der Oberfläche abnimmt.
Es gibt viel zu lachen an diesem Abend, doch der Künstler hat auch etwas zu sagen. Nach einer besonders zynischen Pointe zeigt er auf, dass die Realität grausamer ist, als es ein Kabarettist je sein könnte. Sein Spiel mit der Political Correctness wird zum bravourösen Hochseilakt, bei dem das Publikum die Balance zu halten hat, seine Analyse der Äußerungen des Bundespräsidenten gerät messerscharf: „Hören Sie mal eine ganze Rede an und trinken immer einen, wenn Sie das Wort Freiheit hören.“ Er selber komme nie unter 2,5 Promille raus.