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Es gilt das gedruckte Wort

MAINZ (31. Oktober 2019). Kabarett ohne Worte und Gesang? Das Duo „Ohne Rolf“ aus Luzern macht es seit 20 Jahren vor: Auf der Bühne wird ein großformatiges Plakat nach dem anderen umgeblättert und so eine Unterhaltung geführt, deren Sinn im Großgedruckten steht.

Mittlerweile haben Jonas Anderhub und Christof Wolfisberg ihr viertes Programm „Seitenwechsel“ am Start. Und wieder staunt man über diese Idee, tonlos und doch wortreich miteinander und dem Publikum zu kommunizieren. 2014 gab es hierfür den Deutschen Kleinkunstpreis.

Obwohl es in Wirklichkeit Wolfisberg ist, der inzwischen auch solistisch unterwegs ist, sucht das Duo in „Seitenwechsel“ eine Vertretung für Anderhub. Auf den Unterhausstühlen liegen Bewerbungszettel, doch „Ohne Rolf“ hat natürlich schon seine Kandidaten ausgeguckt. Oder besser: ausgedruckt. Nun braucht es noch Gäste, die mitmachen. Den Abend über wenden also einige Zuschauer auf der Bühne die DIN-A1-Bögen, um sich so mit den beiden stoisch dreinblickenden Künstlern auszutauschen.

Witzig ist das vor allem auch, weil die Kandidaten nicht sehen können, was sie da so von sich geben. Auch diese Dialoge sind natürlich (und tatsächlich wortwörtlich) vorgegeben. Doch weil alle Kandidaten sofort in ihre Rolle finden, wirkt trotzdem alles improvisiert – selbst ein „Häh?“ Anderhubs oder ein grummelndes „Brmpfl“ von Wolfisberg.

Herrlich komisch sind die Exkurse, wenn beispielsweise ein Versicherungsvertreter nach Policen fragt: „Hagel?“ steht auf einem durchlöcherten Bogen, „Feuer?“ auf einem angesengten und beim Wort „Wasser?“ ist die Tinte zerlaufen. Ein „Prof. Dr. M. Haller“, der liebend gerne die Vertretung übernehmen würde, wird per Notruf ins schweizerische Oberengadin gerufen, nach ihm kommt ein von Wolfisberg gespielter und den Duo-Namen aufgreifender Rolf Senza, schließlich bewirbt sich der Tod persönlich – auch er muss alsbald ins Oberengadin). Der Charakter eines jeden Kandidaten wird musikalisch gedeutet – der des Gevatters mit Bachs Prelude aus der ersten Cellosuite.

Auch so was ist natürlich alles festgelegt, kommt aber wunderbar leichtfüßig daher. Mit dem Tod entspinnt sich dann ein philosophischer Gedankenaustausch, an dessen Ende die Erkenntnis steht, dass es für einen „Seitenwechsel“ wohl noch zu früh ist. Und so endet ein kluger wie unterhaltsamer Abend vergnüglich-entspannt – auch wenn Jonas Anderhub und Christof Wolfisberg im Vorfeld für ihre Plakate so viel Druck machen mussten.

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