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Herrlich prickelnde Wort-Cocktails

MAINZ – Wenn man in der Pause dazu aufgerufen, mit Alkohol, dem „Spediteur der Leidenschaft“ verschiedene „Delirium verheißende Destillate geschickt subgutteral zu verklappen“, dann kann nur einer auf der Bühne stehen: der Betroffenheitslyriker Olaf Schubert – ein Querschläger im Geiste, dessen Waffe das rasierklingenscharf geschliffene Wort ist.

Er ist „Weltverbesserer und Humorist“ und dadurch beruflich doppelt belastet, wie ihn sein Bassgitarrist Bert Stephan ankündigt: Als „langjähriger Filialleiter im Baumarkt des Lebens“ habe er die „Poleposition im Tempodrom des Protests“ inne, um die „geistige Start- und Landebahn für die philosophischen Luftschiff der Zukunft“ zu bereiten. Sein „manisches Mahnen“ aber übertöne „falsche und Trittbrettmahner“.

Derart kunstvoll montierte Worte, Wörter und Satzteile erinnern an meisterhaft verzierte Arabesken, an die Putten und Girlanden in barocken Sakralmonumenten, kurz: an Liebe zum Detail – hier jedoch nicht in schwer zu bearbeitendem Stein, sondern in Sprache, die so vital und scheinbar leicht ins Publikum schwappt, auch wenn sich der Star des Abends jeden Satz vorgeblich mühevoll abringt: Olaf Schubert, dieser schlaksige Sachse mit dem furchtbaren Pullunder und der Unfrisur, ist der vokale Architekt, der mit akustischem Senkblei die Tiefen der deutschen Sprache bis in den kleinsten Winkel auslotet.

Mit ungelenken Buchstaben liest man seine Internetadresse auf einem Plakat – diese krakelige Schreibschrift ist fast schon ein Sinnbild: Schuberts Auftreten und Habitus lassen kaum tiefschürfende Gedanken vermuten – denn seine Formulierungen, die geistige Höhenflüge wie kasperhaftes Kalauern gleichermaßen beinhalten, sind von erlesener Güte.

Beispielsweise „tut das Fehlen des Herrn Stephan dem Abbruch des Konzerts kein Zutun“, kommentiert Schubert die temporäre Absenz seines Musikers. Was im „richtigen Leben“ mehr als gestelzt klänge – auf der Unterhaus-Bühne, die Schubert mit diesem Auftritt erstmals bespielte, sind es kleine und große Kunstwerke: Alles, was der sächselnde Kabarettist mit seinen wortdrechselnden Fingern anfasst, scheint augenblicklich zu sprachlichem Gold zu werden.

Schuberts aktuelles Programm „Meine Kämpfe“ lässt viel Inhalt zu und diese Art, Duktus, Intonation sowie Wortwahl zu einem akustisch und geistig stimulierend prickelnden Cocktail zu mixen, macht es quasi mit allem kompatibel. So trägt er seine Problemhierarchie vor, die mit Opel und dem Mutterkonzern beginnt, dem er das Einbehalten der zu den deutschen Schrauben passenden Muttern vorhält; sie geht über Atompolitik mit Uran im Urin über den nahen Osten und die Ehe („Also der nahe Osten in der Küche.“) bis zu Umwelt- und Energieproblemen.

Keine Frage, es geht abstrus, doch Lachmuskel zerrend zu an diesem Abend. Der mit Bert Stephan und Jochen M. Barkas musizierte Protestsong „Haltet inne“ ist klare Forderung ohne jegliche Botschaft, aber es gibt auch galant geistvolle Bonmots zu hören, nach denen „die in Deutschland herrschende soziale Kälte nicht die Klimaerwärmung kompensiert“ und Rechtsradikale offenbar an S-Bahn-Trassen aufwachsen, an denen es immer heißt: „Bitte zurückbleiben…“

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