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Mit Ottfried Fischer ab in die Heimat

MAINZ – Der Applaus im Unterhaus ist mehr als herzlich: Vor 22 Jahren ist Ottfried Fischer zum letzten Mal hier aufgetreten; damals erhielt er den Deutschen Kleinkunstpreis. Heute gilt er als Gastgeber von „Ottis Schlachthof“ im Bayerischen Rundfunk schon längst als kabarettistisches Urgestein und Schwergewicht sowieso. Mit dem Schritt, seine Parkinson-Erkrankung publik zu machen, ist er auf sein Publikum zugegangen. Und daher ist der Applaus auch mehr als nur Begrüßung.

Ottfried Fischer ist für das Unterhaus in der ersten Vorstellung der neuen Saison natürlich sogleich ein hoher Trumpf: „Wo meine Sonne scheint“ heißt das Programm zur Heimat. Das Thema ist nicht neu, wohl aber die Weise, wie Fischer es angeht. Nachdem Caterina Valente den gleichnamigen Schlager aus den 50ern vom Band fertig geträllert hat, betritt der Mime die Bühne und legt bajuwarisch mit beherztem „Pack mer’s“ los: „Dahoam is’ dahom“.

Da ist der Jäger und Sammler, der heute ohne Navi hilflos wäre. Adam und Eva durften als erste die Erfahrung von Flucht und Vertreibung machen und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis asiatische Gastronomen eine Landsmannschaft gründen: „Mit dem Gau Nordvietnam.“ Konzentrisch nähert sich Fischer dem Begriff der Heimat. Und da ist natürlich viel Platz für Ansichten rechts und links der Grenze.

Das Gegenteil von Heimat ist für Fischer nicht die Fremde, sondern die Flucht. Flüchtling ist aber nicht gleich Flüchtling und die Angst um sein Leben nicht die gleiche wie die, sich auf der CD „Who is who in Liechtenstein“ zu finden: „Wer wirklich flüchten muss, is’ a arme Sau“, unterstreicht Fischer in den ernsten Momenten seines Programms, um sogleich nachzusetzen: „Hätte Herodes damals den flüchtenden Religionsstifter umgebracht, wären uns die Inquisition und Kardinal Meißner erspart geblieben.“

Wer Fischer kennt, weiß, dass man als Zuhörer ordentlich auf Zack sein muss, denn der Bayer mit seiner minimalen Mimik nuschelt zuweilen, dass manch unerhört gute Pointe ebenso verklingt. Im Programm, das unter der Regie von Gabriele Rothmüller im Juni 2008 Premiere feierte, unterlaufen Fischer auch massive Hänger. Die aber überspielt er als Profi jovial – sein Publikum weiß ja Bescheid.

Zu politischer Hochform läuft er auf, wenn Fischer den EU-Beauftragten für den Heimatschutz gibt: „Individualität kotzt Europa an“, kommentiert er in markigen Worten und beklagt die „Diktatur des Kommissariats“. Als Bierzelt-Komiker habe er das Thema von der Pike auf studiert und sei nach dem Durchwaten des „Bodensatzes aus Dumpfheit und Tümelei“ für die Gesetzgebung in punkto Heimatschutz prädestiniert. Und einem, der anhand des „Musikantenstadls“ Plato und Aristoteles sowie die Tatsache erklärt, dass man der Sendung auch mit § 263 StGB – hier geht es um Betrug – nicht beikommen wird, kann niemand was.

Da ist das Online-Spiel, bei dem man sich mit Gelsenkirchener Barock, Gartenzwerg und Fachwerk die Exponate downloaden kann und das Wundern während WM und EM, dass Deutschland bei so viel Fahnen noch keine Diktatur ist – die Heimat hat fast zu viele Gesichter und Fischer kommt zum Schluss: „Wenn man sich mit einem Thema so richtig beschäftigt hat, dann merkt man erst, wie wurscht es einem ist.“

Doch sie ist ihm nicht egal, die Heimat. Und es wäre zu billig, wenn Ottfried Fischer sie nur einseitig betrachten würde, wenn er dem Wertkonservatismus nicht mehr als dessen Gegenteil, den „Blödkonservatismus“ entgegenhalten würde: Bei allem Spott, den er auf den Auen der Heimat ablädt, ist sie für ihn doch auch etwas, das man für folgende Generation auf eine weltoffene Art hüten sollte: „Heimat ist wie Liebe – unbeschreiblich und nur erfahrbar“, schließt Fischer den Zirkel. In diesen Momenten hätte man im Unterhaus eine Stecknadel fallen hören können…

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