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Der Meister des Anakoluths

MAINZ – Wie er da hilflos mit den Armen rudert, Wort an Wort reiht und doch partout kaum ein ganzer Satz dabei herauskommen will, ein Thema anschneidet und doch im Bruchteil einer Sekunde fünf neue touchiert – kurz: einen ganzen Abend unterhaltsam mit prallem Nichts zu füllen, macht Piet Klocke so schnell keiner nach.

„Pimp Your Self oder Das Leben ist schön – gefälligst“ heißt das aktuelle Programm, das Klocke mit seiner Saxophonistin Simone Sonnenschein alias Angelika Kleinknecht jetzt im ausverkauften Frankfurter Hof vorstellte. Und diesmal persönlich, denn das Publikum musste an diesem Abend auf Klockes Alter Ego Prof. Schmitt-Hindemith verzichten: Er selbst nahm an einem „Seminar für angewandte Lufttechnik“ teil, oder, wie Klocke es knapp übersetzt: Er war mit seinen Schwiegereltern wandern im Harz.

Es sind diese Belanglosigkeiten, diese vom Gewicht her fluffigen Wattebällchen ähnlichen Aussagen, die den äußerst dünnen und verblassten „roten Faden“ bilden. Doch eine echte Handlung erwartet und wünscht sich hier eh keiner.

Das würde sich auch kaum vertragen mit jenem Stilmittel, in dessen Gebrauch Piet Klocke unbestrittener Meister ist: der oder das Anakoluth, zu deutsch Satzbruch: Der wortgewandte Kabarettist fängt seinen Satz an, besinnt sich neu und fährt in einer Weise fort, die keinesfalls mit Struktur und Duktus des begonnenen Satzes harmoniert. Oder der Sprechfluss versiegt unvermittelt. Oder die grammatische Beziehung der Satzglieder wird gestört. Oder mit einem neuen Gedanken die Folgerichtigkeit des Satzes. „Oder: „Meine Herrschaften, ich will, glaube ich, das kann man, das geht alles von Ihrer Zeit ab“, wie Klocke hier vielleicht einwenden würde.

Man muss ihn erleben, wie er im karierten Anzug ständig an seinen Ärmeln herumzupft und seinen Prof. Schmitt-Hindemith zu vertreten sucht. Die in Worte gefassten Gedanken und Ideen trommeln hier wie ein munterer Frühlingsregen aufs Schädeldach des Publikums.

Und weil „Pimp Your Self oder Das Leben ist schön – gefälligst“ außer diesem inhaltslosen Referat keinerlei Handlung hat, kann Klocke alles nur Erdenkliche unterbringen: Seine Biografie, laut der er schon als „Halbleiter bei Siemens“ tätig war und vor Bankern Seminare mit dem Titel „Wenn Geld alles ist, was ist dann nichts?“ und vor Hamburger Prostituierten die Workshops „Wir töpfern Dilden“ und „Höhepunkte in Knetgummi“ gehalten hat.

Das Publikum gluckst beglückt und das Kichern wird zum amüsierten Hintergrundrauschen des Abends. Klocke hingegen verzettelt sich mit Schmitt-Hindemiths Aufzeichnungen, muss mit der stummen Saxophonistin Fräulein Kleinknecht sowie ihrem Aktionismus für „Winden-ergie“ und gegen den Konsum von Schnabeltieren fertig werden und kommt zur Erkenntnis: „Männer und Frauen? Das passt hinten und vorne.“

Im Darwin-Jahr betrachtet der Philosoph die Tierwelt von Qualle und Hummel („Was ist da eigentlich für ‘ne Idee hinter?“) und befürchtet nach dem Abschmelzen der Polkappen Holländer in Schlauchbooten auf deutschen Autobahnen. Wollte man alle Gags und Sätze mitschreiben – Block und Bleistift gingen in Flammen auf…

Doch Klocke, der auch als Komponist von Filmmusiken Erfolge feierte, versteht es, 90 Minuten auf eine gefühlte Dreiviertelstunde zusammenschnurren zu lassen. Sein Humor ist hochkomprimiert und ermöglicht doch ein ständiges Ein- und Aussteigen.

Dennoch lohnt ein genaues Zuhören, ansonsten verpasst man noch die Geschichte von den umoperierten Kaninchen, die von Schlepperbanden aus Osteuropa nach Deutschland gebracht werden und den hier tätigen Mümmelmännern die österlichen Arbeitsplätze rauben, so dass diese „die Löffel über dem Kopf zusammenschlagen“ und auf „Has IV“ angewiesen sind. Oder das herrliche Saxophon-Spiel von Simone Sonnenschein. Oder wie Klocke ihr den ersten Sex zwischen Adam und Eva zu erklären versucht. Oder wie es bei ihm selbst war: „Ich selbst habe ja; und dann habe ich die Frau meines Lebens kennengelernt. Und die spricht jetzt die zweite Hälfte der Sätze.“ Klockes Anakoluth hat hohes Suchtpotenzial…

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