Einfach die Bestens [sic!]
MAINZ (22. November 2022). Auch wenn Pigor & Eichhorn nicht zuletzt mit den hundert „Chansons des Monats“, die zwischen 2010 und 2019 für den SWR produziert wurden und das Radio- und Netzpublikum gleichermaßen begeisterten, bewiesen, dass sie alle Kanäle bespielen können: Auf der Bühne sind die beiden Wahlberliner nicht zu schlagen.
Thomas Pigor singt und Benedikt Eichhorn muss natürlich wieder begleiten – sie können einfach alles. Jaques Brels „Ne mea quitte pass“ in einer berückenden deutschen Übersetzung als weinerlicher Bald-Single, eine wunderbar larmoyante Konstantin-Wecker-Assonanz, in der die alte Kleinkunst-Garde beschworen wird, ja nicht in Rente zu gehen, die Packliste, in der Pigor unvergleichlich Konsonanten goutiert oder schwül gehauchte Immobilienphantasien: „Volumen X“ ist einmal mehr die Quintessenz dessen, was auf die Bühne gehört.
Dabei darf man sich bei den beiden nicht genüsslich zurücklehnen und dem Spott über die anderen hingeben. Kabarettkarten als späterer Beweis des Widerstandskampfs, wie einst von Volker Pispers kaltlächelnd empfohlen, reichen nicht. Wenn Pigor & Eichhorn im kongenialen SUV-Bashing die rollenden Panzer ächten, wäre es durchaus interessant zu wissen, wie viele Zuschauer im ausverkauften Unterhaus selbst mit einem Zweieinhalbtonner zur Vorstellung gekommen sind. Und der rockige Song „Endzeitomas“ zeigt einem, warum Klimaaktivists (norddeutsches Gendern – danke Benedikt!) keine Terroristen sind, sondern schlicht an der Ignoranz der Masse Verzweifelnde. Der berühmte Spiegel, in den das Kabarettpublikum zuweilen blicken darf, zeigt bei Pigor & Eichhorn eben ein oft nüchtern-realistisches Bild.
Und dass auch, wenn die beiden expressis verbis politisch werden und in „Kontrolliert mich!“ süffisant eine Überprüfung durch die Polizei einfordern, weil sie sich durch Unterlassung beim (eigentlich ja verbotenen) Racial profiling diskriminiert fühlen. Auch wer seine private Klimabilanz aufhübscht, indem er Fahrrad fährt und das Licht löscht, darf sich nicht in Sicherheit wiegen, wenn er dann Parteien wählt, die lieber den Wohlstand weniger als das Klima aller retten wollen. Der Ratschlag, Political correctness mit etwas mehr Gelassenheit auszuüben oder der Rundumschlag „It’s politics stupid“ sind weitere Glanznummern, die zeigen, warum Pigor & Eichhorn 1999 den Deutschen Kleinkunstpreis erhielten (den sie laut „Ladekabel“ stets bei sich führen).
Es ist immer wieder ein Erlebnis, wie schnell diese beiden Vollblutkabarettisten das Publikum mit zu Brillanten geschliffenen Versen und sattem Sound elektrifizieren können. Wozu natürlich auch wieder Eichhorns Solonummern gehören: „Gute Laune“ und „Ich hasse Musicals“ (wer’s glaubt). Das Frotzeln der beiden ebenbürtigen Sparringspartner – köstlich, wie Pigor beim Stimmen seiner Gitarre Eichhorn am Klavier vorwirft, er sei zu hoch – gehört dabei ebenso dazu wie das Infotainment, diesmal als Rhetorik-Seminar anhand von Hubert Schleicherts Buch „Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren“ und Arthur Schopenhauers Schrift „Die Kunst, Recht zu behalten“. Wie Pigor & Eichhorn hier Argumentationsstrategien aufzeigen und sich gegenseitig galant die Bälle zuspielen, sucht seinesgleichen. Wie überhaupt alles an diesem Abend.