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15 Zentimeter reichen völlig

BAD KREUZNACH (18. Mai 2019). Tatsächlich: Das Rechteck der kleinen Theaterbühne erinnert an einen Fernseher – selbst wenn dieser in den meisten Haushalten mittlerweile sehr viel größere Ausmaße haben dürfte. Doch wo heute der Flimmerkasten den Blick in die große, weite Welt bietet, stand in bürgerlichen Häusern früher ein Puppentheater aus Pappe oder ein richtiges Marionettentheater. Der Blick, den diese Bühne bot, richtete sich freilich eher nach innen: in die eigene Fantasie.

Das Museum für PuppentheaterKultur in Bad Kreuznach, kurz PuK, hat diese Welt konserviert und zeigt sie in all ihren Facetten. Natürlich wird hier auch selbst gespielt. Und jüngst gab es etwas ganz Besonderes zu erleben: Zwischen Vorstellungen in der Partnerstadt Neuruppin und in der Landeshauptstadt Mainz am Internationalen Museumstag führten Eleen und Markus Dorner mit Klaus Dreier am Klavier vor Ort das Märchen vom Kalif Storch auf.

Die Marionetten und das Bühnenbild gehören normalerweise zum Inventar des Stadthistorischen Museums Mainz und wurden für einige wenige Vorstellungen buchstäblich reanimiert. Denn die gerade mal 15 Zentimeter kleinen Puppen und die Kulisse sind ebenfalls bereits historisch: Marionettenschnitzer Walter Oberholzer und Maler Hans Kohl entwarfen 1927 die Requisiten für dieses Theatererlebnis en miniature.

Jeweils zwei Mal führte Puppenspieler Markus Dorner jenes wunderbare Märchen um den Kalif Chasid auf, der von einem Magier ein Pulver erhält, das ihn nach Aufsagen des Wortes „Mutabor“ in ein Tier seiner Wahl verwandelt, wodurch er die Sprache der anderen Tiere versteht. Nur sollte er dabei nicht lachen, da er sonst das Wort vergisst, mit dem er sich zurückverwandeln kann. Es kommt, wie es kommen muss: Natürlich sind Chasid und sein Großwesir derart amüsiert, dass sie nicht an sich halten können. Für’s erste bleiben sie Störche, der Magier entpuppt sich als Bösewicht und sein Sohn wird Kalif anstelle des Kalifen. Erst am Schluss hilft ihnen eine ebenfalls verzauberte Prinzessin, den Bann zu lösen und wieder Menschengestalt zu erlangen.

Eleen Dorner trägt die Geschichte aus der Märchensammlung von Wilhelm Hauff liebevoll vor, Markus Dorner zieht die Fäden und Klaus Dreier sorgt für die musikalische Untermalung. Eine halbe Stunde dauert der Spaß in drei Akten und es ist wirklich einer: Zum einen bewundert man die Kunstfertigkeit des Marionettenspielers, wie er seinen kleinen Puppen allein durch Gestik Leben einhaucht, zum anderen schmunzelt man über die Reaktionen im Publikum.

Denn das besteht keinesfalls aus Kindern, sondern den erwachsenen Mitgliedern des Bad Kreuznacher Vereins für Heimatkunde, die das Projekt finanziell unterstützt hatten und dadurch in den Genuss einer geschlossenen Veranstaltung kamen. Als eine Kaspermarionette, der bayrische Larifari, für ein Vorspiel den Vorhang hochzieht und um Hilfe bittet, schallt es tatsächlich aus dem Publikum unterstützend „Hauruck!“. Und auch „Mutabor“ wird dem Kalif in Storchenform zugeflüstert. So schnell wie das Pulver des Magiers wirkt offenbar auch der Zauber des Puppentheaters auf das Publikum und weckt das Kind im Manne sowie der Frau.

Warum ausgerechnet ein bajuwarischer Kasper das Spiel eröffnet, ist schnell erklärt: Bildhauer Walter Oberholzer wirkte in München, wo er 1915 an der Akademie der Bildenden Künste dem Maler Hans Kohl begegnete. Die beiden wurden Freunde und schufen jenes Theater mit prächtigem Portalvorhang und raffinierter Beleuchtung, das sich im Besitz des Mainzer Museums befindet. Auf Initiative der dortigen Leiterin Dr. Hedwig Brüchert und dem Bad Kreuznacher Museumsleiter Markus Dorner hat man die rund 50 Marionetten aus der Werkstatt von Oberholzer restauriert, neu aufgeschnürt und wieder spielbar gemacht. Bevor diese nun ihren Platz in den staubdichten Ausstellungsvitrinen auf der Mainzer Zitadelle einnehmen, ging es noch mal auf Tournee. Sowohl im Stadthistorischen Museum Mainz als auch im PuK in Bad Kreuznach sind weitere Figuren Walter Oberholzers zu sehen.

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