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Hör‘ einfach Radio Badesalz!

RÖDELHEIM/MAINZ (21. Oktober 2020). Es hatte ja eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis die Fans 2018 endlich wieder in den Genuss eines neuen Albums des begnadeten Kult-Comedy-Duos Badesalz kamen: Mit „Mailboxterror“ meldeten sich Gerd Knebel und Henni Nachtsheim nach 14 Jahren auf CD zurück. In der Zwischenzeit war man zwar mit „Aso-TV“ auf YouTube unterwegs, doch ersetzte die optische Präsenz der Komiker in Ballonseide und Strubbelperücke nicht die durch ihre akustischen Gags angeregte Phantasie: Vielleicht ein bisschen zu präsent und laut kamen die beiden rauchenden und saufenden Moderatoren Nobbi und Ebbi daher.

Natürlich waren da auch die grandiosen Theaterabende, mit denen Knebel und Nachtsheim ganz großes Kino ablieferten: 2018 „Dö Chefs“, 2012 „Bindannda“ oder 2009 „Dugi Otok“. Im November hätte man in Mainz das neue Stück „Kaksi Dudes“ sehen können, was Corona bedingt jedoch abgesagt wurde. Die fehlenden Auftritte raubten den Künstlern dank ausverkaufter Hallen schon sicher geglaubte Einkünfte. Doch sie schenkten ihnen eben auch eine Menge freier Zeit. Nach dem Ausmisten seines Kellers richtete Nachtsheim in Rödelheim die „Drunter-und-drüber-Studios“ ein. Und von hier aus wendet sich das Duo nun über ihre Website https://www.badesalz.de mit „Radio Badesalz“ an die Welt.

Dafür konzentrieren sich Knebel und Nachtsheim darauf, was sie am besten können und was auch den unbestechlichen Reiz ihrer CDs ausmacht: das Arbeiten mit Sprache und Stimme, Dialekt und Sounds, abgründiger Komik und abstrusen Situationen. Man ließ der Kreativität freien Lauf und entwickelte mit „Radio Badesalz“ eine Show nach den Bauplänen der Konzeptkunst, die im Weiterspinnen von immer wieder eingebrachten Running Gags ein wenig an die legendäre WDR-Sendung „Schmidteinander“ erinnert – und damit nolens volens sogar eine kleine Verbeugung gegenüber dem am 6. Oktober verstorbenen, großartigen Kollegen Herbert Feuerstein darstellt.

Gerd Knebel und Henni Nachtsheim schlüpfen also erneut in die Rollen von Nobbi und Ebbi und führen gewohnt holprig und durchaus improvisiert durch die Sendung, die jeweils ein bestimmtes Thema hat. Das wird natürlich nicht behandelt, sondern immer nur angepeilt, um es mit viel Wort- und anderem Witz gekonnt zu verfehlen. Dass die Shows tatsächlich live sind, merkt man daran, dass die beiden Profis zuweilen sympathisch Mühe haben, in ihrer Rolle zu bleiben – zu komisch finden sie einen im Moment entstandenen Gedanken, einen Wortwitz, die Kabbelei. Doch schnell fängt man sich wieder – zumindest Knebel und Nachtsheim können sich während der vorproduzierten, kurzen Einspieler erholen.

Da sind Umfragen auf der Straße, die Serie „Bembel-Straße“ mit Hans, Helga, Benni und Klausi Bembel (sowie einem nervenzerfetzenden Cliffhänger), man erfährt regelmäßig Neues von Uschi und Rosi aus Retzelbach, eine Marktanalyse dokumentiert, was im ausgewählten Fachhandel aktuell Trend ist, es gibt indische Weisheiten, Filmkritiken, Musik von internationalen Künstlern, eine von Hörern weitergesonnene Mystery-Story, Wetter sowie Verkehrsfunk (merke: Mömbris meiden!). Und dazwischen Gebabbel bis zum Anschlag. Bis Jahresende will man zwölf Sendungen produzieren, dann steht ein Personalwechsel an: Statt Nobbi und Ebbi wollen Knebel und Nachtsheim eine „richtige“ Talkshow moderieren.

Wöchentlich eine solche, einstündige Revue zu kreieren, ist eine großartige Leistung. Und nicht nur das: Mit dem Satz „Hast Du Ärger oder Stress am Hals, hör einfach Radio Badesalz“ eröffnet jede Sendung, die man auch als Podcast im Internet nachhören und herunterladen kann. Und damit verfolgen Gerd Knebel und Henni Nachtsheim eben nicht nur ein vordergründig unterhaltendes Ziel, sondern schenken ihren Hörern, deren Gedankengänge durch die Nachrichten nicht erst seit Corona, aber derzeit natürlich besonders täglich neu mit belastendem Gerümpel verstellt werden, eine Stunde geistige Entspannung. „Radio Badesalz“ ist eine Non-profit-Aktion, ist letztendlich L’art pour l’art. Und genau dafür kann man den beiden Hessen nicht genug danken.

„Radio Badesalz“ läuft donnerstags ab 19 Uhr auf https://www.badesalz.de. Dort finden sich auch Links zu den Podcasts der vergangenen Sendungen.

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