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Brillante Eulenspiegelei

MAINZ (27. November 2016). Ein Abend mit Rainald Grebe ist immer mehr als Kabarett: Man erlebt ein Konzert, man hört beißenden Spott, dessen scharfe Zähne sich durchaus ins eigene Fleisch beißen, man betrachtet pikiert ein gesellschaftliches Panoptikum, das detailliert die Schwachstellen der Republik beleuchtet. Und trotzdem gibt es viel zu lachen.

Denn schon allein die Vorstellung, der Künstler gebe in Afrika auf Einladung des Goethe-Instituts eben jenes „Elfenbeinkonzert“, das er jetzt im Unterhaus spielte, ist absurd. Oder war da was? Ein Einspieler zeigt den Künstler, wie er zusammen mit farbigen Kindern Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“ intoniert. Aber wer Goebbels, Baileys und Weight-Watchers in einer Nummer unterbringt, der schafft auch das.

Der Grundgedanke des Programms dreht sich um das Deutschlandbild, das Grebe vermitteln will. Was ist typisch deutsch? Laut Slogan der Bildungswächter im In- und Ausland, die den großen Dichter im Namen tragen: Sprache und Kultur. Doch da liegt eben zu viel im Argen, weiß der Kabarettist und sorgt sich um die Verwüstung des Endreims in der deutschen Hip-Hop-Musik ebenso wie um den Zustand von 28.000 deutschen Klein- und Mittelstädten, die offenbar nur noch ein Stadtmarketing vor dem Untergang retten kann.

Wo leben wir? Und was könnten wir davon im Ausland erzählen? „Ich sitze mit dem iPhone auf dem Klo wie Christiane F. vom Bahnhof Zoo“, singt Grebe eine bitterböse Satire auf den News-Junkie, der immer und überall online und informiert sein will. Zitternd und auf Entzug lechzt er nach einem Stromstoß für seinen Akku. Auch das Lied vom „Kinderbergwerk“, in dem die Justins und Sophias dieses Landes in einer unübersehbaren Flut von industriell hergestelltem Spielzeug baden können, ist eine Spitze, die tief eindringt.

Abendland und Morgenland, Stadt und ländlicher Raum, digitale und analoge Welt: Alles klopft Grebe nach Vorteil und Vorurteil ab. Auf Herders, Goethes und Grimms Spuren erkundet er das Volk und klärt es in Mainz sogar auf: In Rheinland-Pfalz (und Berlin) seien Gastwirte dazu verpflichtet, ihre Toiletten auch Nichtgästen kostenlos zugänglich zu machen und auf den 27 Tank- und Rastplätzen des Landes werde permanent gegen geltendes Recht verstoßen. Eine Klage des Kabarettisten ist anhängig.

Die Waffe, mit der Rainald Grebe ins Feld zieht, ist eine Ironie von satter Süffisanz, die er mit sonorem Timbre in seine klavierbegleiteten Lieder packt. Dabei nimmt ihm die Realität zuweilen das Zepter aus der Hand: Vom bekannten Kinderbuch „Struwwelpeter“ des Frankfurter Arztes Heinrich Hoffmann aus dem Jahr 1845 erschien bereits knapp 40 Jahre später eine sarkastische Variante in galliger Reimform als „gynäkologischer Ratgeber“ zum Thema Todgeburten. Einer wie Rainald Grebe findet so etwas, zieht es ans Licht und hinterfragt damit perfide unser Verständnis von Hochkultur. Und so gelingt ihm auch mit seinem „Elfenbeinkonzert“ wieder eine brillante Eulenspiegelei.

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