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Süßer Keks und gesalzene Pointe

MAINZ (13. Dezember 2010). Big Reichow is watching you? Man kann ihm derzeit kaum entkommen! Aber wer will das schon? Aktuell spielt er im Unterhaus sein Weihnachtsprogramm „Himmel und Hölle“, jeden letzten Samstag im Monat kann man ab 9.05 Uhr auf SWR2 die „Musikalische Monatsrevue“ des Mainzer Kabarettisten hören und seit zwei Wochen in der lokalen Presse beim wochenendlichen Frühstück zuvor seine Glosse lesen.

Gut so! Denn Lars Reichow hat Nummern für die Ewigkeit geschrieben. Diese und andere, natürlich auch brandaktuelle, vereint er in seinem Weihnachts-Special, das bis zum 18. Dezember läuft. Der „Handwerker“ ist so ein Klassiker, in der Reichow den Spieß herumdreht und den durch das Klischee misstrauisch gewordenen Kunden persifliert.

Oder die weibliche Dekorationswut rund um die „Stroh-Stoff-Nuss-Puppen-Kombination“: Hinter von Objekten dunkel verhangenen Fenstern sinniert der Mainzer über das Geschick der Kunstheimwerkerin: „Sehr schön, aber ohne Zweifel selbst gemacht“. Er selbst kann zwischen Tannenzapfen und Hutzeläpfelchen eben nichts anfangen, mit diesen „Sachen, die vom Baum gefallen sind – und die auch die Tiere nicht mehr mitnehmen wollen“. Das Unterhaus-Publikum gluckst munter – auch, weil es Nummern wie diese in- und auswendig kennt. Aber „Stroh-Stoff-Nuss“ gehört für den echten Reichow-Fan eben zu Weihnachten wie Baum und Krippe.

Es sind diese liebevollen Beobachtungen, die hier mit spitzer Zunge in nadelstichfeinen Pointen formuliert werden. Und jeder kann sich ein bisschen wiedererkennen. Besonders natürlich die Laubenheimer Damenwelt, die an diesem Abend als der Liebreiz schlechthin besungen wird: „Morgen ist Gonsenheim dran.“ Auch wenn Lars Reichow mittlerweile bundesweit äußerst erfolgreich agiert – in Mainz kommt er immer noch am besten an, hier hat er sein treuestes Publikum.

Doch er will nicht nur lustig sein, sondern füllt seinen satirischen Kreppel zuweilen auch mit scharfem Senf: In „Ihr Kinderlein kommet“ intoniert der Klaviator eine gallige Kritik am Umgang der katholischen Kirche mit sexuellem Missbrauch und hinterfragt mit einem anderen Lied die menschliche Zivilisation. Ganz ruhige Töne liegen Reichow genauso: das Glück zu Gast in Finthen, zartbittere Kindheitserinnerungen oder der Hinweis aufs Wesentliche unterm Christbaum. Man kann diesem Künstler eben auch weder stilistisch noch thematisch entkommen – zum Glück!

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