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Der Klaviator will Schweizer werden

MAINZ (21. Oktober 2011). „Maggit, mach‘ des Ding aus“, hört Volksschauspielerin Sponheimer von rechts: „Des erinnert misch an was…“, setzt ihr Bekannter mit Bundestagsvergangenheit und Gardegegenwart nach und knipst sein Handy aus. Man ist in Mainz, wo Lars Reichow vor viel lokaler Prominenz sein neues Programm „Goldfinger“ aus der Taufe hebt. Ganz offiziell, denn für alle Mainzer, Määnzer und Meenzer gilt die Vorpremiere in Wiesbaden natürlich nicht.

Gelacht wird viel an diesem Abend. Der Musentempel ist ausverkauft und fasst nun mal mehr Publikum als das Unterhaus. Zur Premiere seines „Unterhaltungskanzlers“ füllte Reichow 2008 die Phönixhalle. Und dennoch: Die Intimität der Kleinkunstbühne fehlt ein bisschen. Dafür hat der Mainzer Kabarettist musikalische Gäste aus Berlin mitgebracht: „Slicks“ heißt die sechsköpfige A cappella-Gruppe, die das Programm trällernd untermalt.

Ganz närrisch feiert Reichow jetzt also die Premiere seines elften Programms, nachdem er vom Schnürboden aus auf die Bühne schwebte. Das Thema „Goldfinger“ findet sich in musikalischen Zitaten und natürlich greift der Künstler auch mit seinen zehn goldenen Fingern in die schwarz-weißen Tasten, was klanglich die gewohnt ansprechenden Kontraste bildet.

Doch beim Vergolden der Themen wurde auch der rote Faden koloriert und ist im ganzen Geglitzer kaum mehr zu erkennen. Nach einem ewig langen Intro, indem sich schließlich die Worte Eintrittsgeld, Taschengeld und Geldhunger heraushören lassen, steht Reichow in goldenem Schuhwerk vor dem Publikum und errechnet, dass die Feinunze Edelmetall derzeit 1.500 Dollar kostet: „Also 453.000 Drachmen.“ Die Krise auf dem europäischen Finanzmarkt wird immer wieder angetippt, aber nie am Kragen gepackt. Dabei hätte Reichow den Biss, sie mal nach allen Regeln der Kunst durchzuschütteln.

Geld? Wer es nicht hat, kann sich nichts kaufen. Auch kein Gold: Reichows gefühlvolle Ballade über die Armut im Lande steht leider recht singulär und wird nicht vertieft. Dafür knöpft sich der Vater den pubertierenden Sohn vor und besingt das Treiben agiler Rentner. Launisch erzählt er vom Neid auf des Nachbarn Ferienvilla, empfiehlt sich der Schweiz als neuer Bundesgenosse, will im Lotto gewinnen und empört sich über die Bad Bank. Irgendwie kann man alles mit Gold, Geld oder Glück in Verbindung bringen. Der Zusammenhang aber ist recht dünn. Dass es auch anders geht, zeigen vor allem kurze Nummern, wenn Reichow vom Nachbarschaftsrating erzählt, in dem er von Hausnummer 3a auf 2a runtergestuft wurde.

Was dem Abend auffallend fehlt, ist Lokalkolorit: Mit Ausnahme des Mainzers, der nach und nach die Möpse seiner Frau um die Ecke bringt und des Handkäses, der Angela Merkel auf Schatzsuche in die Schweiz begleitet, vermeidet Reichow ausgerechnet vor Ort das, was ihn so sympathisch authentisch macht. Er gibt lieber den europäischen Klischees über faule Griechen, triebgesteuerte Italiener und besoffene Iren den Vorzug – dabei war man so gespannt auf Kommentare zu gefallenem Laub und gedankenleerem Beutel. Doch hierzu kein Wort, kein Wohnbau-Song.

Also musste man sich gedulden bis zur morgendlichen Zeitungslektüre: In seiner wöchentlichen Kolumne lief Reichow wieder zur Höchstform auf. Zwölf Stunden eher und der „Goldfinger“ hätte heller gefunkelt.

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