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Zwischen Rheingau-Riesling und Cuba libre

MARTINSTHAL (28. Juli 2015). Eigentlich hatte man sich lange auf diesen Abend gefreut: die Münsteraner „Zucchini Sistaz“, ihr lustiger Damenswing unter freiem Himmel bei Rheingauer Riesling im Weingut Diefenhardt – doch die plötzlich herbstlich anmutenden Temperaturen ließen die Begeisterung darüber, das Haus abends noch einmal verlassen zu müssen doch eher gering ausfallen. Aber Musik kann auch die trübste Stimmung aufhellen – zumal von und mit diesen drei Grazien an Schlagbass, Trompete und Gitarre!

Jule Balandat, Sinje Schnittker und Tina Werzinger trafen sich 2009 auf dem Lingener Wochenmarkt, wo jede am Stand just drei Zucchini erwerben wollte. Zur Vorliebe für den grünen Gartenkürbis gesellte sich nicht nur eine gemeinsam empfundene Musikalität, sondern auch die Verehrung der singenden und klingenden Vorbilder der Boswell Sisters über die Andrew Sisters bis zu ihren europäischen Pendants: Auch ohne gleiche Gene erblickten bald die „Zucchini Sistaz“ das Licht der Bühne – übrigens nicht verwandt oder verschwägert mit den amerikanischen „Zucchini-Brothers“, drei Kinderlieder singenden Musikern.

Jule Balandat (Kontrabass), Sinje Schnittker (Trompete, Posaune, Flügelhorn und Glockenspiel) sowie Tina Werzinger (Gitarre, Banjo und Ukulele) machen dort weiter, wo die hehren Vorbilder nolens volens aufgehört haben – und bedienen sich hierfür aus dem Archiv der swingenden Unterhaltungsmusik der 1920er, 1930er und 1940er Jahre. Damit das Ganze nicht museal klingt, haben die „Sistaz“ ihr Repertoire mit Eigenkompositionen aufgestockt.

Von frostiger Laune konnte also trotz bedeckten Himmels keine Rede sein, im gemütlichen Hof des Weinguts Diefenhardt. Dicht gedrängt saß das begeisterte Publikum und dürfte alleine schon durch die ständig wippenden Füße genug Reibungswärme produziert haben. Und wenn dann noch als Running Gag die „Martinsthaler Wildsau“ durchs Programm galoppiert, geht das Stimmungsbarometer ohnehin schnell nach oben.

Auf der Bühne eine Stehlampe, ein Fernsprechapparat aus dem vergangenen Jahrtausend, ein Grammophon – und die Damen, die als klingendes Multitasking-Trio ein veritables Tanzorchester bilden. Balandat, Schnittke und Werzinger treten nicht nur beherzt auf die Bühne, sondern schlagen das Publikum durch die gemeinsame Vorliebe für den frechen Swing unmittelbar in seinen Bann. Statt Riesling gibt es „Rum and Coca Cola“, man besingt den „Boogie Woogie Bugle Boy“ und lädt galant mit Irving Berlins „Puttin‘ on the Ritz“ zur mondänen Stilreise ein. Die Ähnlichkeit zu den Geschwistern Boswell und Andrews ist frappierend!

Dazwischen wird elegant (und vielleicht zuweilen auch ein bisschen zu ausgiebig) moderiert und zu den eigenen Stücken übergeleitet, die mitunter im genial adaptierten Stil erklingen: die Radel-Hymne, Herbert Grönemeyers „Männer“-Interpretation, der „Schweinehund“ oder „Fräulein Flunker“. Die eigenen Sachen sind klingende Nettigkeiten, die musikalisch jedoch neben den großen Hits bestehen können, da sie mit Humor und Verve vorgetragen werden. Dass die „Zucchini-Sistaz“ auch schon mal während Karnevalssitzungen auftreten, sei nur am Rande notiert.

Nicht nur stilistisch haben sich die „Zucchini-Sistaz“ ins 20. Jahrhundert zurückkatapultiert: auch äußerlich mit paillettenbesetzten Flappers und Frisuren, die an Popeyes Freundin Olivia erinnern. Gut bei Stimme und virtuos spielen sie mit der Stimmung, lassen sich gefühlvoll auf die Ballade „I don’t know why“ (mit einem wundervollen Flügelhorn-Solo à la Chet Baker!) ein oder trällern in jazziger Polyphonie mit laszivem Taktwechsel. „Der Blues ist bei uns ein Green“, hatten die Drei zu Beginn versichert und dieses Versprechen dann gut zwei Stunden lang amüsant gehalten. Auch für diese Musik hat das Rheingau Musik Festival einen festen Platz – genau wie diese Klänge im Herzen der Zuhörer.

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