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Liebe, Lust und Leidenschaft

INGELHEIM (27. Juni 2019). Es ist schon ein paar Jährchen her, dass sich der Klavierkabarettist Bodo Wartke dem Publikum des Rheingau Musik Festivals präsentierte. Nach sechsjähriger Pause hatte ihn die Dramaturgie erneut eingeladen, diesmal in die Ingelheimer kING, wo er vor einem begeisterten Publikum sein aktuelles Programm „Was, wenn doch?“ spielte.

Man begegnet dem sympathischen Sänger und Pianisten in seinem Wohnzimmer, wo Flügel, Sessel, Teppich und Stehlampe zum Inventar gehören. Doch nicht nur äußerlich gibt der Barde den Zuhörern einen Blick in sein Inneres; Thema ist vor allem die Liebe, die Wartke in all ihren Schattierungen besingt: Schmetterlinge im Bauch, gegenseitige wie unerwiderte Zuneigung, Erotik, Trennung und Einsamkeit – mal mit einem schelmischen Augenzwinkern, mal mit ganz viel Gefühl.

Wie gewohnt tut Wartke das musikalisch elegant und sprachlich von einer Güte, dass man aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt. Mit feinem Humor singt er von einem „flotten Dreier“, zu dem ihm leider die Begabung des Multitaskings fehlt und er mit den Damen viel lieber Skat spielen würde. Dann tanzt er den Blues, wobei er unglaublich viele Reime allein auf dieses Wort findet, ist Vorreiter der „Kavalierskavallerie“ und sinniert über eine Beziehung im Konjunktiv oder die Liebe Knöpfe zu drücken.

Gekonnt führt Wartke seine Zuhörer auch immer mal wieder aufs Glatteis und erzählt von einer besitzergreifenden „Geliebten“, die ihn sogar dazu brachte, sein Musikstudium an der Berliner Universität der Künste zu beenden (und vorher schon mit vielen seiner Kommilitonen etwas hatte). Dieses Lied singt er auf jenes Stück, bei dem sie sich ihm in die Arme warf: Bachs Präludium Nr. 2 in c-Moll (BWV 848) aus dem Wohltemperierten Klavier. Am Ende stellt sich heraus, dass es eine heiße Liaison mit einer Sehnenscheidenentzündung war, die nach der Trennung übrigens was mit einem Informatiker anfing.

Elegant spaziert Wartke über die Tasten des Konzertflügels, bringt das Auditorium zum Schmunzeln und zum Träumen. Selbstironisch gibt er zu, vor allem bei schönen Frauen kompromissbereit zu sein oder trauert einer verflossenen Angebeteten namens Eva hinterher: Wer außer Wartke kann in einem Liebeslied das Wort Kesselwagen unterbringen? Eine Passion, die so mancher pflegt, ist ihm allerdings fremd: die Oper. Lustvoll setzt er daher das Messer an und schlachtet die heilige Kuh, indem er Mozarts „Zauberflöte“ auf ihren Text reduziert und die berühmte Rachearie ohne Musik vorträgt – inklusive jeder Koloratur: einfach he-he-he-he-he-he-he-he-herrlich!

Doch zuweilen ist auch Schluss mit lustig und beherzt knüpft Wartke an das Motto des diesjährigen Rheingau Musik Festivals an: Courage. Sein Lied „Nicht in meinem Namen“, in dem er aus der Sicht eines verzweifelten Gottes die furchtbaren Auswüchse fundamentalistisch verstandener Religion sowie ihre missbrauchte (und missbrauchende) Macht anprangert, gehört ohne Zweifel zu seinen stärksten und ist in Aussagekraft und Botschaft Konstantin Weckers „Willy“ ebenbürtig.

Um Mut geht es auch in seinem poetischsten Song, mit dem er den wunderbaren Abend in der kING beendet. Es ist sein poetischster: „Aufs falsche Pferd“. Wartke ist nun mal ein Träumer und wagt jene Frage, die dem Programm auch seinen Namen gibt: „Was, wenn doch?“ Es geht darum, dass zu viele Menschen fremden Erwartungen entsprechen und Lebensplänen folgen, die eigentlich nicht die ihren sind. Natürlich wird hier ein Utopia besungen, in dem jeder nach seiner Façon glücklich ist.

Vor allem aus diesem Lied sprechen Liebe und Vertrauen, ein tief empfundener Humanismus, Lebensklugheit und eben der Schneid, eigene Weg zu gehen und gehen zu lassen. Bodo Wartke ist dieses Glück als vielfach ausgezeichneter Klavierkabarettist ganz offensichtlich zuteilgeworden. Man ist dankbar, dass er es so bereitwillig mit einem teilen will.

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