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Wie man im Shitstorm sauber bleibt

MAINZ (24. September 2020). „Für Arndt“, schreibt Sarah Bosetti in ihr Buch „Ich habe nichts gegen Frauen, du Schlampe!“. So heißt auch ihr Programm, mit dem sie an diesem Abend das Unterhaus-Publikum begeistert hat. Und Arndt, der sich bei der Kabarettistin mit den Worten „Das war gut und richtig“ bedankt, legt noch fünf Euro zusätzlich auf den Tresen: „Als Kulturförderung.“

Eine lohnende Investition, denn solche Künstlerinnen sind wichtig: Sie machen den Mund auf, lassen sich nichts gefallen. Doch Bosettis Feminismus hat einen anderen, besonderen Zungenschlag: Die Kabarettistin erlebt zuweilen virale Hasswellen, über die man erschrocken den Kopf schüttelt. Nicht so Bosetti: Sie reagiert darauf ausgerechnet mit Liebeslyrik. Es gehe ihr um Physik, genauer gesagt den Energieerhaltungssatz, erklärt sie nonchalant: Die Kraft bleibe stets erhalten, könne jedoch umgewandelt werden.

Also lässt sich die Autorin von grausiger Grammatik, ruppiger Rechtschreibung und sinnlose Semantik der tumben Trolle zu wunderbaren Gedichten inspirieren. „Du schreist ja förmlich danach. Du willst doch misshandelt werden“, meint einer. „Feminismus ist ne Persönlichkeitsstörung“, attestiert ein anderer. Und ein dritter hofft, „dass Sie bald mal ein Axtmörder besucht.“ Es geht um die „dumme Frau“, den „bösen Ausländer“ und um „die da oben“, also das System an sich. Möchte man solch entlarvende Entgleisungen lieber schnell wegklicken, erlebt man hier ihre Sezierung. Im ärgsten Shitstorm spannt die Kabarettistin dabei einen Regenschirm aus ironischer Empathie auf und lässt die verbitterten Fontänen einfach an sich abperlen.

Bosetti spricht auch über Glauben und Kirche, von der sie wenig hält. Doch mit ihrer Liebeslyrik erfüllt sie ganz nebenbei ein christliches Postulat: „Lass Dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Indem sie auf Hasskommentare mit derart eleganten Versen, perfektem Versmaß sowie Reimschema, also stilvoll reagiert und ihre Feinde dabei gefühlvoll demaskiert, dürfte sie tatsächlich den in der Bibel erwähnten Haufen „feuriger Kohlen auf ihren Häuptern sammeln“. Sarah Bosetti behält einen kühlen Kopf und bietet dem Hass mutig die Stirn. Davon lässt sich lernen.

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