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Scharfe Analyse im Plauderton

MAINZ (14. Dezember 2016). Innenspiegel, Außenspiegel, Schulterblick – das, was jeder Autofahrer in der Fahrstunde lernt, nimmt sich der bayerische Kabarettist Django Asül jedes Jahr aufs Neue zu Herzen, wenn es darum geht, die vergangenen Monate in seinem mittlerweile Kult gewordenen „Satirischen Rückspiegel“ Revue passieren zu lassen: „Was in der räumlichen Dimension angebracht ist, kann also auch für die zeitliche nicht schlecht sein.“

Auch in diesem Jahr hatte der Künstler mit türkischen Wurzeln, der jedoch laut eigener Aussage „mit ganzem Herzen Niederbayer“ ist, wieder in den Frankfurter Hof eingeladen, um die bayerische, nationale und internationale Politik nach offenen Fragen zu durchkämmen. Das tut er mittlerweile im sechsten Jahr und hat den Eindruck gewonnen, hier als kabarettistischer Dienstleister zu agieren: „Viele schauen über das Jahr bewusst keine Nachrichten mehr und warten lieber auf meine Essenz.“ Aber warum auch lesen: „Wir wissen ja, es gibt heute ohnehin nur noch die Lügenpresse.“

Mit offenen Augen hat sich Asül also quasi stellvertretend für sein Publikum erinnert und man staunt tatsächlich, dass dem eigenen wie kollektiven Gedächtnis so manche Schlagzeile eigentlich schon wieder aus demselben entschwunden ist. Stimmt, da waren ja Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Und in Amerika: „Für Horst Seehofer ist Donald Trump Amerikas Antwort auf Markus Söder.“ Bob Dylan hat den Literaturnobelpreis bekommen: „Der nächste für Physik geht an Helene Fischer.“ Und Fidel Castro ist gestorben: „Als der erfahren hat, dass Uli Hoeneß mit 98,5 Prozent zum Präsidenten gewählt wurde, hat er beschlossen abzutreten.“

Asül beginnt mit der Kölner Silvesternacht, dem peinlichen Versagen der Ordnungshüter und springt dann gleich zum nächsten Fettnäpfchen, in das die Chemnitzer Polizei tappte, als ihr der Terrorist Jaber Albakr entwischte. Statt das Jahr chronologisch abzuarbeiten, geht der Kabarettist lieber thematisch vor – eine kluge Entscheidung, weiß man doch nie, was als nächstes kommt. Asül verknüpft gekonnt, nutzt vorhandene Bindungen oder konstruiert sie freigeistig wie feinsinnig.

Die Bayern-SPD, die nur noch zum Fasching in Veitshöchheim in Erscheinung trete, Kanzlerin Merkel, für Asül die „Ehrenvorsitzende des Dachverbandes der internationalen Schleuserringe“, der Brexit, bei dem sich die meisten Befürworter offenbar erst nach der Wahl gefragt hätten, was das eigentlich sei, die Grünen, die ihre Milchmädchenrechnungen ohne Milch und Mädchen machten oder Eidechsenumsiedlung am Stuttgarter Bahnhofsneubau – es sind die pikante Komposition aus ernsten Themen und süffisanter Plauderei, die wie nebenbei fallengelassenen Pointen und natürlich die niederbayerische Kodderschnauze, die Asüls Analyse so hörenswert machen.

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