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Schmackhafte Schlachtplatte

MAINZ (12. Januar 2011). Nach dem Jahreswechsel ist, mit zeitlicher Verzögerung, ja auch immer vor dem Jahreswechsel, so dass Robert Gries, Achim Konejung, Wolfgang Nitschke und Christopher Sieber ihre als „Schlachtplatte“ titulierte Jahresendabrechnung eigentlich jeden Tag servieren können.

So erweisen sich die vier kleinkünstlerischen Schwergewichte in ihrer spöttischen Rückschau auch als Auguren für das Kommende. Und das, so viel steht fest, ist gleichermaßen lächerlich wie zum Heulen. Um sich für diese Begegnung zu wappnen, hilft es nur, die Lachmuskeln zu trainieren, wozu diese kabarettistische Quadriga einen kurzweilig anspornt.

In der Pause schüttelt man verwundert seinen Chronometer: Ist wirklich schon eine Stunde rum? Vollgepackt mit einer abwechslungsreichen Melange aus Solonummern und Ensemblekabarett weidet sich das Quartett an den Höhepunkten der vergangenen Monate. Ölpest im Golf von Mexico, Stuttgart 21, zu Guttenberg, Merkel, Westerwelle – mit unglaublichen Zitaten offensichtlich nur scheinbar berufener Politikermünder lässt man es kräftig im deutschen Blätterwald rauschen und nicht nur Achim Konejung fragt sich in einem swingenden Song, wie sehr der Bürger denn noch verraten und verkauft werde: mit dem Rettungsschirm in der Hand, letztendlich aber doch im Regen stehen gelassen.

Christoph Sieber gibt den zynischen Personalchef, der das arbeitsuchende Prekariat brüsk in seine Schranken weist, ebenso überzeugend wie den genauen Zeugen der Absurdität. Er wundert sich über den Rennsport und zieht den Schluss: „Dümmer, als im Kreis rumzufahren sind nur die Männer, die dabei zuschauen.“ Aktuelles zur Bildungspolitik („Die eine Hälfte der Kinder spricht kein Deutsch und die andere kommt aus dem Ausland“) reibt sich wohlig knirschend an Beobachtungen des Volks der Fernsehköche: „Aber auf einer Tiefkühlpizza steht: Bitte die Plastikfolie entfernen…“

Robert Gries spielt in einem glänzenden Sketch Sarrazins Bruder, der als Bundesbeauftragter für die Reproduktion den gebärunwilligen Akademikerinnen vorrechnet, dass man im Schnitt vier von ihnen bräuchte, um ein ebenso kluges Mädchen zu zeugen: „Mit ihrem Verhalten würden Sie in Nigeria aus dem Stamm geworfen und gesteinigt.“

Noch eins oben drauf setzt dann Wolfgang Nitschke als „Bestsellerfresser“ mit seinen Buchbesprechungen rund um Bachblütentherapie und die Biografie Nina Hagens: Munter lässt er das Publikum an den Kopfschmerzen teilhaben, die ihm solche Lektüre bereitet. Mit grandioser Häme verreißt Nitschke die geistlosen Ergüsse um die göttliche Liebe und zitiert dann süffisant den offenbar einzigen Bibel-Vers, den Hagen nicht adaptierte – Matthäus 12, 36: „Ich sage euch aber, dass die Menschen müssen Rechenschaft geben am Jüngsten Gericht von einem jeglichen unnützen Wort, das sie geredet haben.“ Amen!

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