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Bundesadler muss Federn lassen

MAINZ (13. November 2017). Just am Tag der Bekanntgabe der Träger des Deutschen Kleinkunstpreises 2018 spielte Lisa Eckhart, die den Förderpreis der Stadt Mainz bekommt, im Unterhaus ihr Solo „Als ob Sie Besseres zu tun hätten“. Mit Simone Solga, ausgezeichnet in der Sparte Kabarett, war nun eine weitere künftige Preisträgerin zu Gast. Sie stellte ihr neues Programm „Das gibt Ärger!“ vor.

Auf dem Plakat hat sie den Bundesadler an der Kehle gepackt, dass die Federn nur so fliegen. Schließlich hat die einstige Kanzlersouffleuse die Brocken hingeschmissen und ist nun auf der Flucht. In Mainz bittet sie das Publikum um Asyl, schließlich kommt sie aus einem furchtbaren Krisengebiet, wo pure Hoffnungslosigkeit herrsche: „Und Deutschland schaut zu!“ Aber das Kanzleramt hat sie ja nun verlassen und ist bereit, auszupacken: Über Merkel sowieso, aber auch über die anderen „da oben“: Da ist Andrea Nahles („die Stradivari unter den Arschgeigen“), da ist der „bärtige Buchhändler“, der unbedingt Kanzler werden wollte: „Einen guten Roten erkennt man am Abgang.“

Grüne, Linke, FDP und CDU? Für Solga ist Jamaika tatsächlich die Alternative – und zwar zu Deutschland: „Merkel ist es egal, ein totes Pferd zu reiten – Hauptsache, sie sitzt im Sattel.“ Die Kanzlerin als Vampir, der allen Parteien das Blut aussauge, um die eigene Unsterblichkeit zu nähren, Rentner, Ossis, Vegetarier, Krisenherde – in ihrem neuen Programm holt Solga zum fulminanten Rundumschlag aus und schießt aus allen Rohren.

Fast jeder Schuss ist hier ein Treffer. Als ehemalige rechte Hand der Kanzlerin (die in Zukunft also die einarmige Raute üben muss), weiß sie, wie der Laden in Berlin läuft, wenn es um den Umgang mit Schurken und ihren Staaten geht: „Wir unterscheiden zwischen bösen und guten Diktaturen – kommt ganz darauf an, ob sie uns die Flüchtlinge vom Hals halten oder Bodenschätze haben: Nickel, Zink oder Trüffel.“ Hervorragend ist auch ihre Kritik an den inkonsequenten Islamisten, die für ihre Anschläge die Technik derer nutzen, die sie dafür so sehr verachten.

Dass die Flugbahn mancher Pointe etwas flach ausfällt und dem Stammtisch zuweilen recht nahe kommt – geschenkt. Dafür sind die anderen Gedanken, die sich Solga macht, zu klug und tiefgründig. Gerade beim Thema Flüchtlinge spielt sie elegant mit dem Feuer, ohne sich zu verbrennen und vermeidet es in einem hitzigen Zwiegespräch mit sich selbst, eindeutig Farbe zu bekennen.

Dass sie hierfür auch Argumente mit eher populistischer Tendenz anführt, verwirrt anfangs – und diese Haltung (sei es auch nur die einer Bühnenfigur) hat ihr andernorts bereits heftige Kritik eingebracht. Doch dokumentiert diese Zerrissenheit eben auch, dass sich Simone Solga nicht damit zufrieden gibt, wohlfeile Lösungen unbesehen als die richtigen zu akzeptieren. Im Gegenteil: Sie hört zu und analysiert mit kühlem Kopf – beides sollte ihr Publikum ebenfalls tun.

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