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Stand-up-Comedy mit Stil

MAINZ (29. Februar 2024). Seit Jahren arbeitet sich Stephan Bauer an der Beziehungsproblematik ab. Loriots Einsicht, dass Männer und Frauen einfach nicht zusammenpassen, hat er in unzähligen Varianten thematisiert – diesmal ist sein Problem, als 55-jähriger (sein Alter wird im Laufe des Abends bis auf 39 sinken) mit seiner wesentlich jüngeren Frau keinen Sex mehr zu haben.

Bei Stephan Bauer taugt aber jede Maläse, um Funken schlagend als Zündschnur für ein Gag-Feuerwerk zu dienen und schnell hat der Kabarettist das Publikum im ausverkauften Unterhaus dort, wo er es haben will. Was er erzählt, scheint zweitrangig – aber wie er seine Pointen setzt, ist einfach grandios. Leicht phlegmatisch und mit einer köstlichen Larmoyanz sorgt er im Publikum für das genaue Gegenteil: Stets hört man ein gewisses Grundglucksen, immer wieder durchbrochen von lauten Lachsalven.

Bei aller Gagdichte steht Stephan Bauer aber nicht für einen platten Humor, mit dem andere Stadien bespaßen: Sein Humor ist filigraner und paart sich mit einer bestechenden Selbstironie, die auch eigene Schwächen authentisch reflektiert. Wenn er im Supermarktregal das Teeangebot abscannt, kommt er bei Sorten wie „Heiße Liebe“, „Pure Lust“ oder mit Blasen-Tee zu der Einsicht, dass dort offenbar mehr los ist, als bei ihm im heimischen Ehebett. „Mein Sexualleben ist wie Cola: Es begann mit normal, dann kam light …“ Das Wörtchen „zero“ braucht er schon gar nicht mehr zu sagen.

Es geht also – wie gewohnt – um die Beziehung. Das Sexuelle war aber nur der Earcatcher: Auch ohne Anzüglichkeiten hängt das Publikum an Bauers Lippen und er pflügt zielsicher durch Stereotypen, Rollenklischees und Vorurteile. Wer ihm das vorwerfen möchte, hat seine Show gründlich missverstanden: Mit sicherer Nase spürt er das Körnchen Wahrheit, das eben doch in Allem steckt, auf und füllt damit seinen Sandkasten, in dem er dann nach Herzenslust Burgen baut, um sie mit Schmackes gleich wieder einzureißen.

Den roten Faden seines aktuellen Programms knüpft er immer wieder an soziologische oder psychologische Fakten sowie Tipps aus Fachliteratur oder Ratgebern. Die hat er nach eigener Aussage gründlich studiert. Und das nimmt man ihm gerne ab: Bei allem Amüsement – und davon gibt es wie gesagt an diesem Abend reichlich – schafft Bauer es immer wieder, kurz mal für Ruhe zu sorgen, um den einen oder anderen Gedanken sacken zu lassen. Denn die Ehe besteht ja nicht nur aus Sexualität: Mit großer Geste greift der Comedian seine Themen auf: Konsumterror, Gleichberechtigung, Pornografie, Genderwut, Orientierungsverlust oder die Suche nach dem Glück.

Eine Bühne, ein Barhocker – mehr braucht es nicht: Stephan Bauer brilliert einmal mehr als eleganter Künstler, der sein Publikum im Stil des coolen Stand-up-Comedian sympathisch einfängt und den Abend über nicht mehr loslässt. Denn so transportiert er geschmackvoll seine Botschaft, die jeden Trend überdauert: Letztendlich sehnen sich Männer wie Frauen nach einem Gegenüber, zu dem sie nicht unbedingt aufschauen müssen, aber das sie gerne (an)sehen. Für sein Geschlecht sieht Bauer das in einer positiv besetzten Männlichkeit fernab aller Machoallüren.

Natürlich bringt dieser Mann einen zum Lachen. Aber eben auch zum Nachdenken. Und wenn beides gleichzeitig passiert, fällt es auf jeden Fall leichter, am Zustand von Welt, Gesellschaft oder Beziehung nicht sofort zu verzweifeln.

Stephan Bauer hat auf hr1 den Podcast „Bauer versteht Frau“: https://www.hr1.de/sendungen/podcasts/hr1-comedians/bauer/index.html

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