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Tobias Mann geht mit „Man(n)tra“ auf Sinnsuche

MAINZ – Der Titel „Man(n)tra“ würde es nahelegen, gewisse Sachen eindringlich und gebetsmühlenartig zu wiederholen. Doch dieser Versuchung erliegt der Mainzer Kabarettist Tobias Mann nicht. Im Gegenteil: Seine Ma(n)tras sind knackige Pointen und intelligente Wortspiele, die Schlag auf Schlag ein Programm zusammenzimmern, das in zwei Stunden zwar nicht die letzten Sinnfragen klärt, doch trefflich zeigt, dass mit dem frischgebackenen Kleinkunstpreisträger junges Kabarettistenblut pulsierend durch die oft schon etwas verkalkten Adern der deutschen Brettlbühnen rauscht.

Den Anfang macht ein Crashkurs in Philosophie und rasch werden die grundsätzlichen Sinnfragen beantwortet. Zur Willensfreiheit grinst Mann frech ins Publikum: „Wer von Euch ist freiwillig hier?“ Und das Grübeln um Wahrheit, Sein oder Nichtsein, Recht und Unrecht manifestiert sich in einer Diskussion um einen Strafzettel, wobei die resolute Politesse bei Mann sogar die Frage nach einem Leben nach dem Tod aufwirft.

Einer Supermarkt-Kassiererin kommt Mann mit Novalis und fordert sie auf, ihr ganzes Tun und Denken auf den Kunden zu richten und zum Leidwesen des weiblichen Publikums wird Schopenhauers Bild der Frau zitiert, das auch gut eine Sure des Korans sein könnte. Vernimmt man hier im Mainzer Unterhaus nur verschämtes Glucksen meint Mann keck: „Im Hunsrück hat der Saal getobt.“

Das Erfolgsrezept von Tobias Mann, das ihm jüngst neben anderen Auszeichnungen auch den begehrten Prix Pantheon einbrachte, ist offensichtlich sein Selbstverständnis als Augenzwinkern auf zwei Beinen: Nichts nimmt der Mainzer zu ernst – sich selbst schon gar nicht. Und so raubt er selbst fiesen Pointen die Schärfe. Die Würze aber bleibt.

Ein neuer Zungenschlag ist das Politische, das Tobias Mann frisch und ohne Man(n)schetten angeht: „Wolfgang Schäuble dreht ja wohl am Rad“, meint er und reagiert auf manch empörtes Zischen im Publikum gleich mit der Begründung: „Der will die Beichtstühle abhören. Ich glaube, das wäre für die Terrorbekämpfung ein bisschen spät.“

Für jede Partei und jeden Politprotagonisten hat Mann ein passendes Aperçu parat: Kurt Beck – die „Soziflocke: stark behaart, bisschen tollpatschig und wird bald ausgewildert“ – hinterlässt bei ihm nur in Sesseln Eindruck, Stoiber hält er für nicht fachgerecht entsorgt („In der EU, das heißt ‚erstmal unter‘…“) und das Programm der Linken wird im Wörtchen „Nö“ zusammengefasst.

Folgerichtig sei die SPD-Politikerin Ypsilanti von einer Frau Metzger hingeschlachtet worden. Und der wiederum werfe man nun vor, dass sie ihrem Gewissen folge statt Mehrheiten zu beschaffen: „Da muss ich schon gar keine Pointe mehr zu machen.“ Doch die Resignation währt nur kurz: „Bei den Grünen will keiner, bei der SPD kann keiner, bei der CDU will jeder und die FDP hat Westerwelle“, umreißt Mann das politische Kuddelmuddel und touchiert gekonnt auch entlegenere Aktualitäten wie den US-Wahlkampf, den deutschen Bundespräsidenten, Putin oder Berlusconi.

Aber gehört das eigentlich zur programmimmanenten Sinnsuche? Klar, denn mit den gebetsmühlenartigen Wiederholungen der Parlamentarier in puncto Steuer etc. hakt Mann diesen kabarettistischen Rundflug mühelos an seinem „Man(n)tra“ fest. Auch die Geschwindigkeit, mit der er leichtfüßig in Text und Lied durchs Programm joggt, macht ihn zu einer Marke. Da darf er sich ruhig manchen Kalauer erlauben und auch die Zote hat ihren festen Platz.

„Früher gingst Du aus dem Haus und warst weg“, karikiert Mann mit spitzer Feder die mobilgefunkten Zeichen der Zeit und angesichts deren Schnelllebigkeit nimmt man das auch einem jungen Kabarettisten wie ihm sofort ab. Jüngst habe ihn nachts seine neuerdings computeraffine Mutter angerufen, da „ihr Word“ weg sei, obwohl sie nichts gemacht habe: „Bin ich froh, dass sie kein Online-Banking hat.“

Schnell wird aus Spaß Ernst, der wiederum rasch im kühnen Witz aufläuft und auch die Sensationsgier der Medien bekommt ihr Fett ab: „In Österreich ist das Niveau ja im Keller“, lautet Manns staubtrockene Anmerkung. Doch bevor man sich über dieses zynische Bonmot echauffieren kann, muss man schon wieder schallend lachen: „Ich wünsche mir mal folgende Meldung: Das Kabinett ist sich einig und nach der Sitzung gab’s Himbeereis. Aber was muss ich stattdessen lesen: Westerwelle will Vanille.“

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