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Auf dem richtigen Weg

MAINZ (28. September 2020). Mit dem neuen Format „Zum Glück in die Zukunft“ will das Unterhaus genau dort Fuß fassen, um neues Publikum zu erreichen. Nach einem ersten Durchlauf im Alten Postlager könnte das gelingen, die Pilotfolgen verlaufen vielversprechend.

Gleich zu Beginn bringt Moderator Tobias Mann das Konzept auf den Punkt: „Fünf tauschen sich aus – einer hat Ahnung, vier haben Humor“, bringt Tobias Mann das Konzept zu Beginn auf den Punkt: Einer (oder eine) kommt aus der Wissenschaft und sinniert über ein Fachgebiet, das sich stets um die Zukunft dreht, während die Comedians versuchen, die Expertise mit Fragen oder satirischen Randnotizen möglichts unterhaltsam zu begleiten. Und das funktioniert gleich beim ersten Mal erstaunlich gut.

Neben Mann sitzen Sandra Sprünken, Fabian Köster und Bernhard Hoëcker, zu Gast ist Prof. Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung. Das Thema lautet: die Mobilität in der Zukunft. Will man dem Leiter der Forschungsgruppe „Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung“ glauben, dann haben das eigene Automobil und autonomes Fahren in nicht allzu ferner Zukunft ausgedient. Stattdessen wird man auf Knopfdruck automatische Vehikel ordern. Also ganz so, wie es „Känguru-Chroniken“-Autor Marc-Uwe Kling in seinem Roman „Qualityland“ schildert.

Das ist natürlich schwer vorstellbar. Oder liegt es tatsächlich nur am Wollen? Prof. Knie meint, es sei auch eine Frage des Alters: Jüngere Menschen stünden solchen Entwicklungen aufgeschlossener gegenüber. Dass es in einer Autonation wie Deutschland mit 800.000 Arbeitsplätzen allein in der Produktion noch dicke Bretter zu bohren gilt, weiß auch der Wissenschaftler. Und ätzt in Richtung Hersteller: Man sei dort zu unbeweglich und verkleide die Vergangenheit als Zukunft, indem man sich elektrisch oder per Wasserstoff betriebenen Autos nur nebenbei widme.

„Vorsicht“, warnt da einer aus der Runde in den Applaus: „Wenn Sie weiterhin so gegen diese Industrie wettern, lässt Horst Seehofer Sie vom Verfassungsschutz beobachten.“ Von Bernhard Hoëcker, der sympathischen Nummer 1 der Wissensplauderer, und Tobias Mann kommen an diesem Abend die meisten klugen und witzigen Kommentare. Fabian Köster reagiert eher verhalten bis albern und nennt nach seinem Fortbewegungsmittel der Zukunft das „Bier-Bike“. Gerade von diesem Mitglied des heute-show-Teams hätte man etwas mehr Esprit erwartet. Kaum Nennenswertes weiß Sandra Sprünken beizusteuern: Die Improvisations-Kabarettistin von der Bonner Springmaus nutzt ihr Auto nach eigenen Angaben vor allem, um Aggressionen abzubauen und darin herumzuschreien. Aha.

Damit ist man jedoch bei einem wichtigen Punkt: der Emotion. Ist man bereit, sein Auto zu teilen und damit auch ein Stück weit Privatsphäre aufzugeben, fragt Hoëcker. Knie kontert: Man miete sich ja auch ein Hotelzimmer, ohne das ganze Etablissement besitzen zu wollen. Der Schlagabtausch ist kurzweilig, Manns Moderation gewohnt elegant. Und man erfährt tatsächlich einiges: PKW bestreiten jährlich 88 Prozent der zurückgelegten Kilometer, der ÖPNV aber nur zehn – selbst ohne Streik. Das teure Automobil wird jedoch nur zu einem geringen Anteil tatsächlich bewegt. Und es gibt zu viele: 83 Millionen Deutsche besitzen rund 48 Millionen Fahrzeuge. Nicht nur diese Zahlen verdeutlichen dem Publikum, dass sich etwas ändern muss.

Und laut Prof. Knie tut es das bereits: In anderen Ländern sei der E-Verkehr schon viel weiter, denn dort würden alternative Technologien offensiver unterstützt, während es hierzulande noch immer der Dieselmotor sei. Offenheit und Vertrauen fordert der Wissenschaftler und betont die Wichtigkeit der Forschung: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen – meinte auch Otto Lilienthal.“ Andreas Knie ist damit nicht der schlechteste Comedian des Abends, an dem die Runde nach einer Pause noch die Podcasterin Inga Bergen zum spannenden Thema Gesundheit in der Zukunft löchert.

Das Unterhaus hat die Talkrunden – tags drauf ging es um Stressbewältigung, diesmal von anderen Kollegen der Spaßmacherzunft begleitet – mit Kameras begleitet und plant, das Resultat nun Sendern als neues Format der Wissenssendung anzubieten. Auf ZDFneo wäre vielleicht Platz dafür, dort hat auch ein Jan Böhmermann angefangen. Ob und wo „Zum Glück in die Zukunft“ zu sehen sein wird, wird man also sehen.

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