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Schaden Eichhörnchenfürze dem Klima?

MAINZ (17. Oktober 2024). Das Unterhaus-Publikum ist eins der ersten, das das neue Programm des Kölner Kabarett-Duos ONKeL fISCH zu sehen bekommt. Die Versuchsanordnung: Zwei spielfreudige und gut aufgelegte Komödianten, eine teils deprimierende Weltenlage und das Thema Hoffnung. So viel sei schon mal verraten: Das Experiment ist ein voller Erfolg.

Obwohl ihr Habit eher an ein Beerdigungsunternehmen denken lässt – schwarzer Anzug, weißes Hemd und schwarze Krawatte – stellen sich Adrian Engels und Markus Riedinger als Hoffnungsträger der Nation vor. Und sie haben gleich zu Beginn einen guten Tipp zur Rezeption schlechter Nachrichten: Man müsse ihnen stets irgendwie eine komische Komponente abgewinnen. Werde der Weltuntergang angekündigt, hoffe man, er komme mit der Bahn; und die Plastikfluten im Ozean erinnern die beiden eher an das maritime Bühnenbild der Augsburger Puppenkiste.

„Hoffnung ist eine Frage der Perspektive“, stellt ONKeL fISCH klar. Und die erfolgreichste Art, mit Hoffnung Geld zu verdienen, sei („neben der katholischen Kirche“) die Werbung. Schon tauchen die beiden in die Welt der Versprechungen wie weiland die ahnungslose Kundin in ein Schälchen Spülmittel. Zusammen mit dem Publikum fischen sie nach alten Werbeslogans und überprüfen sie auf ihren Realitätsbezug – einfache Idee, Riesenwirkung.

Von der Werbung zu den Nachrichten ist es nur ein kleiner Schritt: Auch sie werden oft manipulativ eingesetzt. Der aus einem wissenschaftlichen Sermon destillierte Quatsch „Eichhörnchenfürze sind am Waldsterben schuld“ wird als Fake-News zu einem riesigen Skandal aufgeblasen – inklusive der AfD-Meinung, dass die größte Gefahr von gewaltbereiten männlichen Nagern ausgehe.

Apropos AfD: Für Engels und Riedinger sind natürlich nicht alle Wähler dieser Partei Nazis. Aber man wundere sich doch, warum Weidel, Höcke & Co so gar nichts täten, um dieses Vorurteil zu entkräften. Auch hier glänzt das Duo mit pointierten Dialogen, in denen die angeblichen Gründe rechts zu wählen, einfach widerlegt werden. Doch wer kümmert sich hier noch um Logik? „Wenn die AfD die Antwort ist – wie bekloppt war dann die Frage?“

„Diese Partei lebt von der Hoffnungslosigkeit“, mäandert sich ONKeL fISCH durch seine immer mit Verve gespielten Sketche zur Erkenntnis des Abends: Nichts zu ändern und im ewig Gleichen zu verharren führe einzig zur Resignation. Nur wer sich der Zukunft offen zuwende habe Grund zur Hoffnung. Dass die Resistenz gegen das Verlassen der eigenen Komfortzone manchmal unüberwindbar scheint, wissen auch Engels und Riedinger, wollen die Hoffnung jedoch als Triebfeder verstanden wissen.

Es gibt noch viel zu erzählen: über die marode Verkehrsinfrastruktur (von ONKeL fISCH als Tatort-Ermittler Thiel und Boerne zum Niederknien komisch gespielt), die offenbar ewig schlimme Jugend (über die sich schon antike Philosophen beschwerten), Hundesteuereinnahmen oder die CDU-Kritik am Bürgergeld („mit dem Merz auf dem rechten Fleck“) – der Schalk, der den beiden im Nacken sitzt, kommt dabei immer mit klugen Gedanken daher.

Das Bühnenbild erinnert einen daran, dass uns das Wasser zuweilen bis zum Hals steht. Aber es liegen eben auch Schwimmflügel und Gummiente bereit: ONKeL fISCH ist Ensemblekabarett mit wunderbar gespielten Figuren, rasch wechselnden Ebenen, genialen Ideen und einem Riesenspaß am Quatschmachen, bei dem der Ernst der Lage immer im Blick behalten wird. Am Schluss besingen die beiden Künstler die Demokratie. Und sie haben auch ein Patentrezept gegen die Trostlosigkeit: Man sollte keinen Utopien nachjagen, aber trotzdem Teile davon im Blick behalten. Es ist also durchaus noch Hoffnung.

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