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Alles richtiggemacht

MAINZ (4. Oktober 2024). Mit dem Titel seines neuen Programms spricht er einem aus der Seele, denn sinniert man nicht selbst zuweilen: „Irgendwas mach‘ ich hier falsch.“ Und natürlich ist sich auch Martin Zingsheim sicher: Nicht bei sich selbst ist der Fehler zu suchen. Wo man ihn findet, erfährt man in seiner geistvoll-humorvoll vibrierenden Show. Schnell hat der sympathische Kölner die Unterhaus-Gäste auf seiner Seite – es ist ein guter Platz.

Im Künstlervertrag des Kleinkunsttempels steht angeblich, dass die Auftretenden die Gage auch dann erhalten, wenn der Erfolg beim Publikum ausbleibt. Aber diese Klausel braucht es an diesem Abend gar nicht: Zingsheim unterhält das Auditorium mit einer gut abgeschmeckten Mixtur aus Tiefsinn, gut platzierten (und dabei erfrischend improvisiert wirkenden) Gags sowie hochmusikalischen Nummern, wofür der Pianist mit Martin Weber an der Geige virtuose Verstärkung an seiner Seite weiß.

Was macht man falsch? Was läuft unrund oder aus dem Ruder? Natürlich schenkt allein diese Fragestellung einem Kabarettisten unzählige Antworten. Und Zingsheim ist ein genauer Augenzeuge, der seine Beobachtungen pointiert wiedergibt. Mag die Nummer über den Leistungsdruck im Büroalltag und den ganzen Klimbim mit den sozialen Netzwerken gnadenlos überzeichnet sein: Zwischen den Lachern findet man Zeit, um sich beklommen zu fragen, wie weit man selbst schon im Zaumzeug der modernen Arbeits- und Kommunikationswelt steckt. Irgendwas macht man ja vielleicht doch selbst falsch?

Zingsheim knöpft sich jene seltsame, fremdbestimmte Kreatur vor, die vom Schimpansen abstammt, auf einem – gemessen am Sonnensystem – unbedeutendem Planeten lebt und diesen systematisch und wissentlich zerstört: Ja, es läuft viel falsch und man macht leider zu oft kräftig mit. Natürlich nicht immer und es gibt zum Glück genug Stellen, an denen ein herzliches Lachen eine gesunde Distanz zum Dargestellten produziert.

Dabei spielt Zingsheim gekonnt mit einer Ironie, die gerne mal in den Zynismus kippt. Zur nichtbinären Selbstbestimmung meint er: „Wer sein Geschlecht regelmäßig wäscht, braucht es nicht zu wechseln.“ Oder die Würdigung der Demokratie, die eigenwillig, aber unwiderlegbar ist: „Sie ist wie das Abwischen des Hinterns: Es kostet Zeit und ist mit Mühe verbunden, aber die Alternative ist einfach ekelhaft.“

Medien, Kinder, Bildung – Zingsheim reitet sportlich eine Attacke nach der anderen. Das Wortkabarett wechselt mit tollen Musikstücken wie der Würdigung des Radios, in dem der Kabarettist auch mit dem eigenen Podcast „Zingsheim geigt rein“ regelmäßig zu hören ist (abrufbar über die ARD-Audiothek). Besungen werden auch Heldinnen der Arbeit oder die Herausforderungen der Meinungsfindung.

Musikalisch ist auch die Zugabe der Hammer: Der Kabarettist wollte früher eigentlich Countertenor werden, musste dies aber einer schiefen Nasenscheidewand wegen aufgeben. Trotz dieses Narrativs gibt es am Schluss John Dowlands „Come again“ im fehlerfreien Falsett, wobei die stante pede laufende Nase für lachtränende Augen sorgt.

Stets gibt es also etwas, was man falsch macht? Oder liegt der Fehler bereits im bloßen Mittun? Der Künstler stellt Fragen und fordert mit seinen Antworten nicht nur zum Amüsement, sondern auch zum Nachdenken auf – Kabarett par excellence, dessen Fazit lautet: Martin Zingsheim macht auch mit diesem Programm wieder alles richtig.

Hier sollte man auf jeden Fall mal reinhören: https://www.ardaudiothek.de/sendung/zingsheim-geigt-rein/91232738/

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