Weniger ist nicht immer mehr
MAINZ (22. März 2025). m Frankfurter Hof ging jetzt die Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises 2025 über die Bühne – und damit auch die Aufzeichnung durch 3sat. Wie üblich fand das Ganze zweimal statt: als öffentliche Generalprobe am Nachmittag und dann am Abend für geladenes Publikum. Die Ausgezeichneten waren Sarah Bosetti (in der Sparte Kabarett), der Liedermacher Falk Plücker (Musik), Christoph Walther und Stefan Schramm als Duo „Zärtlichkeiten mit Freunden“ (Kleinkunst), Filiz Tasdan (Stand-Up), Teresa Reichl (Förderpreis der Stadt Mainz) und Bernd-Lutz Lange (Ehrenpreis des Landes Rheinland-Pfalz). Die Moderation lag in den bewährten Händen des Mainzer Kabarettisten Tobias Mann.
Jeder der ausgezeichneten Künstler stellte eine Kostprobe aus seinem Programm vor – mal werbewirksam und das Können dokumentierend, mal mit weniger Verve und Fortune. So hielt Sarah Bosetti ihre spitze Zunge, für die sie zu Recht berühmt ist, im Zaum und präsentierte eher lauwarme „einfache Lösungen für komplexe Probleme“, wie man sie auch auf ihrem YouTube-Kanal sehen kann: Es ging um die Bekämpfung der spanischen Wegschnecke oder die Unvereinbarkeit von Katze und Ehefrau. Witzig, aber da hatte man mehr erwartet.
Was leider auch auf den Musik-Preisträger zutraf: „Mit Akribie verfolgt Falk sein Ziel, dass sich jede und jeder im Publikum am Abend mindestens einmal getroffen fühlen und so richtig ärgern soll“, hieß es in der Jurybegründung. In der Tat war es eher unbefriedigend, dass Falk keines seiner bissigen Lieder sang, sondern es bei zwei launigen Ratgebern zum positiven Denken und über die Schwierigkeit des Mittelwegs beließ. Wollte oder sollte Falk nichts Polarisierendes machen? Ein Abend mit ihm ist um einiges unterhaltsamer als dieser Ausschnitt.
Da gefiel „Zärtlichkeiten mit Freunden“ schon besser: Seit 25 Jahren sind Christoph Walther alias Cordula Zwischenfisch oder Rico Rohs (Schlagzeug) und Stefan Schramm alias Ines Fleiwa (Gitarre) als Duo unterwegs und bezaubern ihr Publikum mit sächsischem Charme und gnadenloser Gruppendynamik. Dafür gab es in der Vergangenheit diverse Kabarett- und Comedytrophäen sowie 2017 auch eine Nominierung für den Grimme-Preis. Die Regie ließ auch ihnen nicht allzu viel Zeit, doch die nutzten sie ausgiebig, um sich fertig- und miteinander Musik zu machen – sogar mit Metal-Adapter für die E-Gitarre. Fazit: übelst gutes „Musik-Kasperett“ und in der Tat ausgezeichnet.
Ihren Preis konnte die erkrankte Stand-Up-Comedienne Filiz Tasdan nicht persönlich entgegennehmen und meldete sich per Videogruß. 3sat füllte die Lücke mit einem Einspieler aus Till Reiners Happy Hour, der die Richtigkeit der Jurybegründung zeigen sollte, in der es unter anderem heißt: „Die Berlinerin mit türkischen Wurzeln formt Klischees und Vorurteile zu Punchlines, die das Publikum mit der nötigen Härte erwischen – und in bester Stand-Up-Tradition die Künstlerin am wenigsten verschonen. Mit scharfer Beobachtungsgabe wechselt sie rasant zwischen derben Jokes, gesellschaftlicher Analyse und abgründiger Fantasie.“ Wer Comedy für leichte Kost halte, sei hier an der falschen Adresse. Wer aber bereit sei, für guten Humor hinter die Grenzen der eigenen Komfortzone zu blicken, werde Filiz Tasdan nicht mehr vergessen.
Förderpreisträgerin Teresa Reichl mokierte sich über die Studienordnung ihrer bayerischen Heimat und plauderte aus dem Nähkästchen einer Lehrerin, die sie dann doch nicht geworden ist. Aber eine Kabarettistin, die die Jury überzeugte: „Ihre mitreißende Mund-Art erweitert unseren Horizont und rückt aktuelle Befindlichkeiten in einen überraschenden Kontext“, befand diese: „Dieser Förderpreis ist ein Warnruf: ‚Obacht, die kann was‘.“
Ein anderer, der was kann, ist zweifelsohne Ehrenpreisträger Bernd Lutz-Lange, eine der wichtigen Stimmen des gewaltfreien Umsturzes 1989 und des Kabaretts in der DDR. 1966 war er Gründungsmitglied des Leipziger Ensembles „academixer“ und trat von 1988 bis 2004 im Duo mit Gunter Böhnke auf sowie bis 2014 mit der Sängerin und Kabarettistin Katrin Weber. Zu seinem 70. Geburtstag verabschiedete sich Lange von der Brettlbühne und konzentriert sich seitdem aufs Schreiben. An diesem Abend war es vor allem der Sachse, dem die Herzen des Publikums gehörten: Mit sympathischem Understatement („Hier kennt mich doch keiner.“) parlierte er über jüdischen Witz und erzählte die leider wohl ewig aktuelle Geschichte von einem Leipziger Taxifahrer, der „ein bisschen Diktatur“ für unerlässlich hält.
Die Zeit zwischen den Darbietungen nutzte Tobias Mann als Conférencier für aktuelle Kommentare über die Sottisen aus Politik und Gesellschaft. Ihm wurde viel Raum gegeben und der war ihm auch von Herzen gegönnt. Aber eigentlich ging es doch um die Preisträger, von denen man (wie bei Falk oder „Zärtlichkeiten mit Freunden) gerne mehr gesehen und gehört hätte. Mal schauen, was 3sat davon in die 90-minütige Aufzeichnung packt, die am 30. März um 20.15 Uhr und dann in der Mediathek des Senders zu sehen sein wird.