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Ganz großes Theater

MAINZ (17. April 2016). Vielleicht hat man sie ja noch irgendwo im Keller, die Audiocassetten mit den Hörspielen der drei ???: Justus Jonas (erster Detektiv), Peter Shaw (zweiter Detektiv) und Bob Andrews (Recherche und Archiv) aus Rocky-Beach. Die Audio-Krimis sind heute natürlich auch auf CD und im Internet verfügbar, doch ihren eigentlichen Charme haben sie vor allem, wenn man sie auf einem anachronistischen Mono-Recorder abspielt.

Oder sieht: In Stereo und als Schauspiel adaptiert vom „Vollplaybacktheater“ aus Wuppertal, das sie in einer besonderen Form auf die Bühne bringt. Sechs Vollblut-Mimen mit einem gewissen Hang zur Albernheit: Wenn man die akustische Performance live auf der Bühne spielt, zum Ton vom Band synchrone Mundbewegungen macht und das Ganze durch entsprechende Mimik wie Gestik optisch unterfüttert, dann wird daraus ein Spektakel der ganz besonderen Art.

„Die drei ??? und der Phantomsee“ heißt das Stück, das die Truppe jetzt in Mainz aufführte. 2012 hatte man hier schon mit „Die drei ??? und die schwarze Katze“ begeistert, jetzt spielte man die Geschichte um einen Schatz, der von zwielichtigen Halunken und den Hobby-Detektiven gesucht und gefunden wird. Die Rahmenhandlung ist also vorgegeben, doch letztendlich nicht das Wichtigste. Denn weil die Hörspiellänge von 45 Minuten und 38 Sekunden nicht abendfüllend ist, wird das Stück herrlich kurios ausstaffiert: mit Musik, Einspielern, Wiederholungen, Szenen aus anderen Hörspielen und Filmen – eine knallbunte Collage, an denen das Publikum einen Mordsspaß hat.

Zugegeben: Das Hörspiel aus dem Jahr 1977 wirkt heute arg gestelzt. Doch für die Schauspieler ist dies umso mehr Ansporn, ihre Rollen auch gestisch übertrieben zu spielen – nimmt man nur mal den besonders deutlich artikulierenden Professor Shay, der sich am Ende als der knurrige Seemann Java-Jim zu erkennen gibt (seine Stimme kennen TV-Enthusiasten übrigens als Organ des schwarzen Flitzers aus der Serie „Knight Rider“). Auch begegnet einem die piepsige Kinderstimme des Schauspielers Fabian Harloff in der Rolle des Cluny Gunn – im „Vollplaybacktheater“ wird er von einem Riesen gespielt, was eine köstliche optische Dissonanz ergibt.

Die Gagdichte ist so hoch wie in den Filmen der „Nackten Kanone“. Da ist die Schaupielerin Katharina Brauren, die im Hörspiel einen kurzen Gastauftritt hat. Sie gab auch Loriots Mutter in „Ödipussi“, weswegen man zum Original-Ton die berühmte Scrabble-Szene aus dem Film spielt (mit Hundnase, Schwanzhund und 59 Punkten). Und es passt! Running-Gags wie das „Miep-Miep“ der Zeichentrickfigur „Roadrunner“, Passagen aus „Pulp fiction“, die Filmmusik des „A-Teams“, ein Zitat von Heinz Schenk, „Gollum“ aus „Der Herr der Ringe“, eine Baywatch-Nixe, deren Sexappeal auch durch den Schnurrbart des Darstellers nicht gemindert wird – dem „Vollplaybacktheater“ ist kaum etwas zu absurd und das ursprüngliche Hörspiel alles andere als heilig.

Man erfährt, wie Justus den Fall löst: Er reist mittels Fluxkompensator aus „Zurück in die Zukunft“ für Recherchezwecke ins 19. Jahrhundert, derweil Bob und Peter in einer verlassenen Goldgräberstadt zu Klängen von „Brokeback Mountain“ ihre homoerotische Ader entdecken. Der Höhepunkt jedoch ist die minutenlange Aufzählung der weltweit verfügbaren Eissorten – eine private Aufnahme, die dem „Vollplaybacktheater“ großzügig zur Verfügung gestellt wurde. Wie synchron der Justus-Jonas-Darsteller hier seine Lippen bewegt, ist einfach ganz großes Theater.

Kurzweilig, unterhaltsam und vor allem faszinierend mit welcher Liebe zum Detail der Aberwitz in diese besondere Form der Darstellung gefasst wurde – am liebsten würde man den Abend zurückspulen und nochmals abspielen.

Eine buchstäbliche Kostprobe gibt es hier zu sein: https://www.youtube.com/watch?v=qoPXypWpO9s

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