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Alter Herr an der Nordsee?

MAINZ (30. Oktober 2019). Jürgen von der Lippe ist zu Gast im Frankfurter Hof und liest aus seinem 14. Buch und ersten Roman, dessen Titel „Nudel im Wind“ dem Leser zuzurufen scheint: „Na los, was assoziierst du mit diesen Worten?“

Fragt auch der Künstler ins Publikum und bekommt natürlich prompt die „richtigen“ Antworten: FKK steht an erster Stelle, Loriot an zweiter. „Jemand hat mal gesagt: älterer Herr an der Nordsee“, feixt von der Lippe und hat seine Zuhörer bald da, wo er sie haben will – und wo er sich mit ihnen sichtlich am wohlsten fühlt: Wenn das Publikum gluckst und kichert, ist das des Humoristen Treibstoff.

Den ersten Teil des Abends macht eine Art Lesung aus dem neuen Werk aus: Jürgen von der Lippe stellt das Personal vor – zum Glück nur ein paar Charaktere von insgesamt 41 Figuren. Im Buch findet sich ein erklärendes „Who is who“. Worum geht es in dieser Medienkrimigroteske? So richtig schlau wird man aus dem Vortrag nicht, dafür kann man sich schließlich das Buch in der Pause kaufen und am Schluss signieren lassen. Da sind ein Privatdetektiv auf der Suche nach der großen Liebe und Lisa, Visagistin beim Fernsehen, es gibt eine gemeinsame TV-Show und den Mops Horst. Aber die Handlung ist ohnehin zweitrangig: Von der Lippe könnte die Apotheken-Umschau vorlesen und es wäre zum Brüllen komisch.

Der Komiker und Moderator trägt genüsslich vor: Jeder bekommt seine eigene Stimme, der eine oder andere spricht Dialekt. Natürlich gibt es das Ganze auch als Hörbuch und von der Lippe gibt gerne zu, dass er beim Einlesen merkte, dass 41 Personen vielleicht ein bisschen viel sind. Doch eigentlich ist das Buch ja völlig egal, denn ein Abend mit diesem Künstler ist ja immer viel mehr auf das Wie als auf das Was fokussiert.

Und so springt von der Lippe in der Handlung oder steigt aus, um mit dem Publikum zu kommunizieren. Er macht seine Witze auf dessen Kosten, doch stets so, dass alle – auch die Angesprochenen – aus vollem Herzen mitlachen können. Mag der Mann zuweilen die humoristische Brechstange ansetzen – vom Ergebnis fühlt man sich stets wie mit der Feder gekitzelt.

Dass das bei ihm nicht ohne Anzüglichkeiten geht, dürfte jedem klar sein, der von der Lippe kennt. Doch auch hier hält er stets bemerkenswert die Balance, so dass das Schlüpfrige nie peinlich berührt. „Anecken ist eine runde Sache“ heißt ein neuer Text, den der Erzkomödiant neben älteren vorträgt – sein entwaffnender Humor und die echte, spürbare Freude, wenn sich sein Publikum an einer Formulierung oder Pointe ergötzt, dokumentieren, dass dieser Titel das Lebensprinzip des Jürgen von der Lippe ist.

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