» Kleinkunst

Weihnachten mit Lars Reichow

MAINZ – Brandaktuelle und perfekte Inszenierung, griffige Akkorde, lokalkolorierter Ton und bissige Pointen – das sind die Markenzeichen Reichows, die die Mainzer lieben und dem Unterhaus an fünf aufeinanderfolgenden Abenden ein ausverkauftes Haus bescheren – auch wenn sich das „neue“ Weihnachtsprogramm als lose Folge bekannter Hits und manchmal etwas mühsam ans Thema angeknüpfter Lieder aus dem aktuellen „Wie schön Du bist“ entpuppt.

Übel nimmt man dem Finther dieses Recycling-Verfahren jedoch nicht – dafür sind die Nummern einfach zu gut. Wie das mittlerweile in die Jahre gekommene Mainz-Lied, das quasi als tonales Wiedergutmachungsangebot an die zuvor gescholtene Stadt natürlich auch an diesem Abend erklingt, gehören die urkomischen Gedanken zum vorweihnachtlichen Dekowahn mit Kürbissen, mannshohen Holzhirten und den Strohstoffnusspuppen zu einem adventlichen Abend mit Reichow und werden vom Publikum glucksend goutiert.

Zweifelsohne würde sich Rainer Laub lieber eine handfeste Abreibung von Knecht Ruprecht wünschen, als der traurige Held des „Wohnbau-Songs“ von Lars Reichow zu sein. Diese schöne Bescherung erlebte das Unterhaus-Publikum jetzt im aktuellen Weihnachtsprogramm des „Klaviators“ und damit Kabarett voll lokaler Schelte, wie sie kein Büttenredner hätte besser artikulieren können. In breitester Mainzer Mundart konspirierten hier die Protagonisten des stadtnahen Trauerspiels – „Jens, Rainer, Ady und Norbert“ – um Markthäuser und Proviantamt, Staatstheater und Erbpacht: „Ich hab‘ des doch alles nur für die Mainzer Leut‘ gemacht“, jammert da der Ex-Wohnbauchef: „Dann müssen die das jetzt auch bezahlen.“

In einer geistreichen Fabel bedauert der Mainzer, dass Darwins „Survival of the fittest“ wohl nicht für Investmentbanker gilt, umrundet Deutschlands dicke Kinder, die rein volumenmäßig nicht mehr Verstecken spielen können und besingt schwarzhumorig den chirurgischen Schönheitswahn. Und dazwischen immer wieder nachdenkliche Töne wie von der Liebe, die auszog, als die Routine einzog.

Natürlich hatte dieser kabarettistische Nikolaus aber auch richtig Weihnachtliches im Sack: Da ist die anrührende Eröffnungsnummer, in der die Finanzkrise den Geschenkeberg erodieren und eine Familie dafür wieder zusammenrücken lässt. Da werden besinnliche Töne angeschlagen, die sich mit dem richtigen Leben und dem Menschsein beschäftigen.

Und da sind dann natürlich auch Reichows garstige Gedanken an das Weihnachten der Promis: „Das Ehepaar Müntefering feiert mit den Heesters, Roland Koch diskutiert mit den Erzengeln über ein Nachtflugverbot und Jens Beutel sucht noch Rechnungen, die er vor dem 31.12. privat begleichen möchte.“ Und von ferne ertönt die Melodie der „Capri-Fischer“…

zurück