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Wenn schlechte Laune Spaß macht

MAINZ (14. Januar 2011). Wenn einem eine Kassiererin an der Supermarkt-Kasse mit einer solchen Miene das Geld abknöpfen wollte – man würde zuvor die Waren freiwillig wieder ins Regal räumen und rasch das Weite suchen. Bei Matthias Egersdörfer hingegen gehört der Griesgram zum Programm, auch wenn sich die Mundwinkel des Mittelfranken in seinem neuen Programm „Ich mein’s doch nur gut“ des Öfteren zu einem Lächeln verziehen.

Der Anfang jedoch ist wie erwartet: Missmutig betrachtet Egersdörfer sein Publikum im Unterhaus und gibt sich derart unmotiviert, dass man sich die Laus, die ihm über die Leber gelaufen zu sein scheint, wie ein Monster mit riesigen Fangzähnen vorstellt. Dieser Kabarettist ist ein umgepolter König Midas: Alles, was er tut und denkt, wird zur Katastrophe, misslingt zum größten anzunehmenden Unfall.

Da ist sein Frau, mit der er kocht: „Was willst‘ sonst schon machen?“, fragt der Franke: „Spazierengehen und plaudern hängt Dir auch bald zum Hals raus.“ Doch das Kulinarisch kann die Erotik nicht ersetzen: „Meine Frau hat beim Kochen eine Art ADS.“ Drei Gänge sind nicht drin, eher Kurzgerichte. Die Königsberger Klopse aber ähneln doch zu sehr der Frikadelle. Und ist Bewölkung nicht schönes Wetter ohne Sonne? Egersdörfer ergibt sich dem Fatalismus und aalt sich im Lebensgefühl des Scheiterns.

Das Bemerkenswerte an den Geschichten, die hier erzählt werden, ist ihre Plastizität: Man ist mittendrin im Geschehen und lässt sich von Egersdörfers Granteln mitreißen. Eben noch phlegmatisch das Elend des Alltags beschreibend steigert sich der Bayer cholerisch in den Protest, um wie eine gebrochene Welle melancholisch auszulaufen.

Und diese Dramaturgie wendet Egersdörfer auf alle Themen an: Er erzählt, wie er sich das bayerische Abitur ergaunert hat, an wollenen Strumpfhosen litt oder in der U-Bahn den Amokläufer ortet. Grandios ist auch sein Statement gegen Billig-Thunfisch, das einen mit seiner Unappetitlichkeit zum Vegetarier werden lässt, obwohl es das Wohl des Tieres mit fast keiner Silbe streift.

Zuweilen holt er weit aus, um die Pointe als Paukenschlag hinauszudonnern: Als „Feiertags-Christ“ erinnert er sich während des Gottesdienst an den Wanderzirkus seiner Kindheit und zieht boshafte Parallelen und in überraschend schwerelos vorgelesenen Geschichten schwingt er sich in kafkaeske Höhen.

Einzig das phasenweise recht aufdringliche Fummeln der Formulierungen unterhalb der Gürtellinie treibt manche Zuschauer vor Ende der Vorstellung aus dem Saal und das Einkleiden von Gags in Anzüglichkeiten verdeckt als verbale Peepshow das unbestrittene Talent des Erzählers. Ansonsten vermag der Abend nämlich durchaus zu befriedigen…

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