Werner Schneyder steht wieder im Ring
MAINZ – Bequem ist er nicht, der Werner Schneyder. Das war er früher nicht, soll und will er auch heute nicht sein. Anders als viele seiner bis zur Unkenntlichkeit weichgespülten Kollegen zielt er – noch immer – nicht auf den schnellen Lacher. Vielleicht ist es gerade diese Unaufgeregtheit, mit der er, der frühere Linksliberale, dem möglichen reaktionären Kritiker das Heft aus der Hand nimmt: „Ich bin konservativ“ heißt das Programm, das er gemeinsam mit dem Pianisten Christoph Pauli im Mainzer Unterhaus präsentierte.
1984 erhielt er hier den Deutschen Kleinkunstpreis und erst im Oktober wurde ihm ein „Stern der Satire“ gewidmet. Dazwischen sind jedoch einige Jahre ins Land gegangen. Für den Kabarettisten Schneyder aber scheint die Zeit stehen geblieben zu sein: Genauso wie sein nicht minder brillanter Kollege Volker Pispers schafft es der Österreicher, vermeintlich alte Nummern hochaktuell auf der Bühne des Jetzt zu platzieren.
Der Abend mutet wie eine nostalgische Revue an, die es jedoch in sich hat: Das Kabarett ist natürlich nach wie vor „tot, wie erstmals 1901 und danach immer wieder“. Doch der Schein trügt: Zwischen der „die Regierung subventionierenden großen Koalition der Aufsichtsräte“ und den „Aktienstrichern“, realem Minuswachstum, gewünschtem „Plusschrumpfen“ und der Lohndrückerei, die in Sklaverei mündet, entspinnt Schneyder, der „Clown und Narr des satten Bürgertums“, als Grandseigneur des politischen Kabaretts seine Kapitalismuskritik, deren Galligkeit sich im wissenden Schulterzucken ausdrückt.
Alles scheint schon mal dagewesen, die parlamentarische Demokratie sich im Kreise zu drehen wie die SPD, der man wie als Kind der Fliege den linken Flügel ausgerissen hat: „Die einstigen roten Socken können sich nicht einigen, welche die linke und welche die rechte Socke ist“, belächelt Schneyder das Possenspiel der Berliner Bühne. Einzig die FDP sei die verlässliche Größe, die wie immer für jedes Bündnis zur Verfügung stünde.
Zwischen die scharfzüngigen Erinnerungen an die Gegenwart streut der Kabarettist mit seinem Pianisten Couplets und Chansons – und auch diese sind erschreckend aktuell wie das Lied von der Chefetage. Christoph Pauli erweist sich dabei als instrumentales Pendant zum zartbitteren Humor Schneyders: Der Pianist begleitet nicht nur, er hüllt die Gesänge des Kabarettisten wie maßgeschneidert passgenau in Läufe und Akkorde, ohne sie dabei einzuengen. Pauli versteht es punktgenau, sich zurückzunehmen, elegant die Rolle des Begleiters, besser: des Liedpianisten zu übernehmen – und wie leichtes Tuch fallen die gespielten Melodien dann über die gesungenen Sätze und verstärken somit ihre Wirkung. Dieser Abend zeigt Kabarett in Reinkultur. Immer wieder noch.