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Wes Herz voll ist...

MAINZ – Als Volker Pispers vor Jahren witzelte, dass Kabarettkarten als Signet des Widerstandskämpfers gelten könnten, wenn der Kapitalismus zusammengebrochen wäre, war dies noch Zukunftsmusik. Heute werden viele seiner Gäste überlegen, ob sie das Ticket nach der Vorstellung entsorgen sollen.

„Das schlechte linke Gewissen aus dem Feuer springt, wenn die Münze in der Kleinkunstkasse klingt“, gewährt Pispers grinsend Ablass. Und lässt Politik, Finanzwelt und Gesellschaft im Büßerhemd dennoch recht alt aussehen.

„…bis neulich!“ heißt das Programm, in dem er neue und vor allem – erschreckend aktuelle – alte Nummern zu einem humoristischen Gruselkabinett arrangiert. Kein Thema ist ihm zu unappetitlich, kein Eisen zu heiß. Gegeißelt wird alles und jeder: „Leiharbeit ist die moderne Form des Sklavenhandels“, beklagt Pispers. Auch die Caritas handele so: „Im Unterschied zu Unternehmen wie Schlecker bekommen die Mitarbeiter aber noch einen Bonus: den Gotteslohn.“ Wobei sie Glück hätten, wenn sie nicht bei den Jesuiten landeten: „Da heißt es nicht Kirche von unten, sondern von hinten…“

Vieles stößt dem Künstler mächtig auf und entsprechend gallig wird kommentiert. Schließlich ist des Bürgers Leid auch des Kabarettisten und seines Zuschauers Freud’: „Westerwelle kann man nicht kaufen, aber mieten“, sprengt Pispers das Steuerlügengebäude und deckt auf, warum die Kanzlerin so lange zögerte, die Steuersünder-CD zu kaufen: „Sie musste wahrscheinlich erst nachschauen, ob ein Parteimitglied drauf ist, das sie loswerden möchte.“

Immer wieder sticht Pispers munter in moderne Sprachblasen von „bildungsfernen Schichten“ oder „verhaltensoriginellen Kindern“: „Unterschicht heißt jetzt Prekariat, damit die nicht merken, wenn wir über sie reden.“ Und anständig übersetzt er einfach mit „schweizfern“. Das Blatt vor dem Mund war Pispers Sache noch nie und nach wie vor gehören seine entlarvenden Rechenbeispiele zu den Highlights seines neuen alten Programms.

Ein bisschen zu penetrant spürt man gelegentlich den moralischen Zeigefinger im Rücken, denn Pispers verfolgt offenbar das gefühlte Motto: „Wenn ich auf alle schieße, treffe ich auf jeden Fall den Richtigen.“ Wenig differenziert sind für ihn sämtliche Spitzenmanager „asoziales, raffgieriges Pack“. Andererseits steht schon in der Bibel: „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“

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