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„Zärtlichkeiten mit Freunden“: skurriles „Musik-Kasperett“ und bizarre Auswüchse eines anarchischen Humors

MAINZ – Als Superman noch seine Bahnen zog, fragten sich die Leute im Comic mit verblüffter Sprechblase gen Himmel, ob das nun ein Vogel oder ein Flugzeug sei. So ähnlich ging es auch den Gästen im kleinen Unterhaus zum Saison-Kehraus: „Ist es Musik? Ist es Kabarett?“ Die Antwort liefert der Untertitel unter dem Bandnamen „Zärtlichkeiten mit Freunden“: Es ist „Musik-Kasperett!“

Im Gepäck haben Stefan Schramm und Christoph Walther eigentlich nicht viel – zu bieten aber umso mehr. Die äußere Fassade bilden an Schlagzeug und E-Gitarre seltsam skurril gecoverte Musik und unterirdische, wenn auch gut erzählte Gags. Mit einem Duktus, der zwischen brutal gegurrtem Sächsisch und akkurat artikuliertem Hochdeutsch liegt, unterhalten sich die „Kasperettisten“, die sich selbst als „Ines Fleiwa und Cordula Zwischenfisch“ vorstellen, meist untereinander – und damit das Publikum aufs Beste.

Seltsam geschmacklos gewandet und mit Perücken, die sie wie eine zeitgenössische Version von Buschs Max und Moritz aussehen lassen, entwickeln sie eine brachiale Gruppendynamik, mit der sie sich gegenseitig fertig machen: „Wenn Du Ärger machst, schmeiß ich Dich raus aus meiner Band“, ranzt der Schlagzeuger den Gitarristen an. Aber mann kann auch lieb zueinander sein, wenn Ines Fleiwa seinen Freund „Rico Ros“ vorstellt, der dann von seinem Alltag zwischen Plaste und Plattenbau erzählt. Dann ist sie spürbar, diese „Zärtlichkeiten mit Freunden“.

Sinn macht das, was da auf der Bühne stattfindet, keinen. Und dennoch lohnt es sich, genau hinzuhören: Nicht umsonst heißt das Programm „Mitten ins Herts“. Wo auch immer sich dieses Organ im menschlichen Körper befinden mag (vermutlich nahe des Zwerchfells): Die Trefferquote ist enorm! Wenn die beiden „Mugger“ aus Risa ihre Gags mit vollen Händen ins Auditorium werfen, ist auch immer ein Fünkchen Wahrheit dabei, der schnell überspringt.

So betrachten die beiden Solidaritätszuschlagempfänger mitleidig das „strukturschwache“ Mainz mit seinen „tapferen Menschen“: „Was haben die hier – außer der Hoffnung und Spundekäs?’“, wird der Spieß umgedreht und das Klischee vom ewig jammernden Ossi kommt im Gewand des edlen Gönners daher. Dabei haben Schramm und Walther ihren Auftrittsort genauestens studiert und so bleibt es nicht beim obligatorischen Wiesbaden-Witz.

Dass „Zärtlichkeiten mit Freunden“ mit dem Mainzer Unterhaus einen der Tempel der Kabarettszene betritt, lässt ihre Lästereien jedoch nicht verstummen: „Da stellen sie Stühel in den Keller und nennen es Bühne“, wird angesichts des rauen Mauerwerks „Glattspachteln und Rigips“ gefordert wird. „Das haben die Jugendlichen aber selbst gemacht“, lobt der eine, während der andere lapidar anmerkt: „Manchmal macht es aber nichts, wenn der Sozialarbeiter auch mal drauf schaut.” Solch trockener Humor kann vielleicht nicht sprühen, stauben tut’s an diesem Abend aber gewaltig!

Musik machen können die beiden auch, ohne Frage. Und so ist natürlich auch die schon des Öfteren im Fernsehen gezeigte Nummer zu sehen, in der sich „Cordula Zwischenfisch“ rücklings ans Schlagzeug setzt und mit einer Lenin-Maske den Drummer gibt, so dass Jimmy Hendrix’ Gitarrensolo von einst wie kalter Kaffee mundet.

Man mag ja über die Wiedervereinigung und die mit ihr verbundenen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Probleme denken, was man will – aber nach einem Abend mit derartig gewieften Botschaftern des bizarren Humors verstummen sämtliche Gegenargumente: Mögen die Landschaften „drüben“ auch noch nicht so richtig blühen – die eigenartigen Gewächse, die sie der deutschen Kleinkunstszene gebären, möchte man doch nie mehr missen!

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