70 Jahre Bachchor Mainz
MAINZ (8. Oktober 2025). 70 Jahre Bachchor Mainz, das sind sieben Jahrzehnte Chorkultur, die die Musikszene weit über die Grenzen der Landeshauptstadt hinaus mitgeprägt hat. Als die evangelische Landeskirche im vergangenen Jahr nach dem Rücktritt des langjährigen Leiters Ralf Otto, der den Bachchor 1986 von seinem Gründer Diethard Hellmann übernommen hatte, eine drastische Mittelkürzung bekanntgab, fürchtete man allerdings gar um die Existenz des Chores. Bis mit Christoph Siebert 2025 ein neuer Dirigent gefunden wurde, teilten sich Tristan Meister und Martin Winkler die Chorleitung und schafften es somit, die Stimmen beisammenzuhalten. Allseits also ein Aufatmen: im Chor selbst und natürlich in der Kulturszene vor Ort.
Unter Otto war der Chor zu besonderer Qualität gediehen, was freilich auch an Engagements junger Stimmen von der Hochschule für Musik sowie der Verpflichtung professioneller Sängerinnen und Sänger lag. Nicht nur aufgrund der gestutzten finanziellen Mittel wurde diese Praxis mit dem Rücktritt Ottos beendet: Künftig stemmt der Bachchor seine Programme wieder aus eigener Kraft. „Und die muss nun eben trainiert werden“, beschreibt Siebert den Status quo: „Alle Ziehen mit und das Interesse ist groß.“
Mit dem Dirigenten kam auch eine neue programmatische Ausrichtung: Statt wie früher vier große oratorische Konzerte gibt es seit diesem Jahr nur noch zwei. Geblieben sind die zehn Universitätsgottesdienste und zwei ökumenischen Vespern mit Bach-Kantaten. Die anderen beiden Musiken werden a cappella, also ohne oder nur mit wenigen Instrumenten gesungen.
Was für den Bachchor durchaus Neuland ist: „A cappella ist aufwändiger, es gibt mehr zu singen und daher auch zu proben“, weiß Siebert um die Herausforderungen – aber auch, dass ein Chor mit seinen Aufgaben wachsen kann. Nach einem ersten Auftritt „ohne“ im Sommer mit Liebesliedern von Johannes Brahms hat er für das Herbstkonzert am 25. Oktober um 19.30 Uhr in der Christuskirche daher ein besonders spannendes Programm ausgewählt: „Die Werke sind für das Ensemble gut zu singen und in ihrer Wirkung einfach fantastisch.“
Zu hören ist Trauermusik von Henry Purcell und William Byrd sowie eine Motette von Johann Kuhnau, Bachs Vorgänger als Thomaskantor. Der Namenspatron des Chors ist an diesem Abend natürlich ebenfalls vertreten und sogar doppelt: Neben einer Motette von Johann Sebastian erklingen faszinierende Stücke seines entfernten Onkels Johann Christoph, der seiner Zeit als größter Komponist der Familie galt. Flankiert wird die Alte Musik durch zwei zeitgenössischen Werken von John Tavener.
Nach diesem sicher lohnenswerten A-cappella-Erlebnis eröffnet das eigentliche Festkonzert am 14. Dezember um 18 Uhr traditionell mit der ersten Kantate aus Bachs Weihnachtsoratorium. Danach erklingen jedoch seltener aufgeführte, laut Siebert aber nicht minder wunderbare, Weihnachtskantaten des Thomaskantors, darunter BWV 110 „Unser Mund sei voll Lachens“ mit herausragenden Solisten wie Klaus Mertens.
Das Motto des Abends lautet „Jauchzet, frohlocket“, wonach dem Bachchor dank neuer Leitung im 70. Jahr seines Bestehens offenbar selbst zumute ist: „Wir sind froh, dass es weiter geht und freuen uns auf weitere Spielzeiten mit dem neuen Konzept aus Oratorien- und A-cappella-Konzerten“, lädt Siebert das Publikum ein, dem „neuen“ Bachchor Mainz zu begegnen.