Spannende Gegensätze
MAINZ (20. November 2011). Der breiteren Masse unbekannte Werke in ein Konzertprogramm aufzunehmen birgt immer das Risiko mangelnder Akzeptanz, weswegen die Mainzer Meisterkonzerte diesen klingenden Bildungsauftrag wahrnehmen, indem sie das „Neue“ stets durch Bekanntes flankieren lassen. Durch diese Melange sorgen sie nicht nur für ein volles Haus in der Rheingoldhalle, sondern immer auch für lebendige Abende, die nicht zuletzt durch die handverlesenen Instrumentalsolisten noch mehr an Brillanz gewinnen.
Das jüngste der Meisterkonzerte bot aber auch einen weiteren interessanten Aspekt: „Spannende Gegensätze“ hieß das Motto und verband das „Siegfried-Idyll“ Richard Wagners (1813-1883) und die fünfte Sinfonie d-moll op. 47 von Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) mit dem Trompetenkonzert von Johann Nepomuk Hummel (1778-1837) zu einem spannenden tonalen Triptychon voll faszinierender Facetten: Mächtige Orchesterklänge und pointiertes Solistenspiel sorgten für reizvolle Kontraste – eben „Spannende Gegensätze“.
Zu Johann Nepomuk Hummels beliebtesten Werken gehört freilich das Konzert für Trompete und Orchester. Gemeinsam mit der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern unter der Leitung von Pietari Inkinen glänzte hier die britische Trompeterin Alison Balsom mit virtuosem Spiel. Ausgebildet an der Londoner Guildhall School of Music and Drama sowie am Pariser Konservatorium studierte sie unter anderem bei Größen wie Håkan Hardenberger. Das hört man – und noch etwas: Technisch brillant und spürbar neugierig rückt sie ihr Instrument in ein neues Licht und geht „ihren Hummel“ auch abseits des per se strahlenden Blechs fanfarenartig und mit kantabler Couleur an, die sich sowohl im gestoßenen Ton als auch im genussvollen Legato-Spiel manifestiert.
Die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern genoss das Zusammenspiel mit einer Künstlerin wie Alison Balsom, die in diesem Jahr den begehrten Classic Brit Award als Female Artist oft the Year errang, hörbar. Doch auch „solistisch“ überzeugte der Klangkörper mit Wagner und Schostakowitsch. Besonders die fünfte Sinfonie des Russen atmete Elementares, verdankte der Komponist ihr doch sein Leben: Nach allzu modernen Klängen hatte Schostakowitsch 1937 stilistisch wieder linientreuer zu schreiben – zu vernichtend, ja fast schon lebensbedrohend war die Kritik auf vorangegangene Werke. Drohend und dramatisch zu Beginn und immer wieder durchbrochen durch kantig-brachiale Marschsequenzen atmet seine fünfte Sinfonie jedoch nur oberflächlich den geforderten Geist – dahinter verbirgt sich der Schrei des Geknechteten, den die Musiker des Abends eindringlich artikulierten.
Eröffnet hatte die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern den Abend mit Wagners „Siegfried-Idyll“ in E-Dur WWV 103, einem gewaltigen „Geburtstagsständchen“ für dessen Gattin Cosima, das seinerzeit als „Treppenhausmusik“ im eigenen Haus erklang. Die groß besetzte Alternative ließ Dirigent Pietari Inkinen mit entspannt fließenden Bögen intonieren und sein Orchester mit süß-zartem Schmelz in weit gespannten Crescendi auf emotionsgeladene Höhepunkte zusteuern.
Das einzige, was an diesem Abend unerträglich störte war das respektlose Verhalten manch jungen Besuchers, der offenbar als Teil einer Schulklasse dem Konzert beiwohnte – lauschte wäre zu viel gesagt: Blicke aufs Mobiltelefon im Fünfminutentakt und ständiges Srollen über den Bildschirm des i-Pods schienen wichtiger zu sein als dass, was die Künstler auf der Bühne darboten. Aber auch die Lehrkraft sollte sich fragen lassen, welchen Sinn es macht, offenbar desinteressierte Pennäler ausgerechnet in ein Konzert mit Werken von Hummel und Schoskatkowitsch zu zwingen, denn um Angehörige eines Musikleistungskurses handelte es sich offenbar nicht: So kann man niemanden für klassische Musik sensibilisieren, geschwiege denn gewinnen.