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Musik, die einfach zu Weihnachten gehört

ALZEY (17. Dezember 2023). Auch wenn Johann Sebastian Bach sein Weihnachtsoratorium gar nicht als solches, sondern die einzelnen Kantaten für die Sonn- und Feiertage am und nach dem Christfest konzipiert hatte: Dass diese Musik auch fast 300 Jahre später für viele Menschen einfach zu Weihnachten gehört und sich Chöre, Orchester und Solisten über gut besuchte Konzerte freuen dürfen, würde sicherlich auch dem Thomaskantor gefallen. In der ausverkauften Nikolaikirche schickten sich nun die Alzeyer Kantorei und der Jugendchor gemeinsam mit Solisten und dem Heidelberger Kantatenorchester an, unter der Leitung von Hartmut Müller die ersten drei Kantaten von BWV 248 aufzuführen.

„Jauchzet, frohlocket“ – die gesungene Aufforderung des Eingangschors schien ab der ersten Note das Motto des Konzerts zu sein: Die Sängerinnen und Sänger der Kantorei gestalteten ihre Partien eindringlich und mit deutlicher Diktion und die (leider nicht durchgängige) Verstärkung durch die hellen Stimmen des Jugendchors verlieh dem Tutti einen besonderen Klang. In den Chorälen drosselte Dirigent Müller bewusst das Tempo und ließ den Chor die Harmonien in weiten Bögen auskosten. Dabei setzte er gekonnt Akzente: beispielsweise in „Brich an, o schönes Morgenlicht“, wo nach der Bezwingung des Satans der Vers „und letztlich Frieden bringen“ im zarten Piano erklang.

Die Solisten erbrachten durchgehend gute Leistung: Tenor Martin Erhard gestaltete die Solistenrolle als distanziert-objektiver Erzähler; einzig in den Arien erschien er in den Höhen zu spitz und laut. Der für den erkrankten Bass Stefan Grunewald eingesprungene Daniel Claus Schaefer sang seine Partien mit baritonalem Timbre und gefiel vor allem im Duett mit dem ansprechend glockigen Sopran von Marianne Steinmetz. Am meisten beeindruckte indes der Alt von Regina Grönegreß: Die Arie „Bereite dich, Zion“ gelang ihr tänzerisch-vibrierend und „Schlafe, mein Liebster“ schien wie für ihre Stimme geschrieben, wobei einem die natürlich fließenden Koloraturen und vor allem das unglaublich sanfte, eher gefühlte als tatsächlich ausgesungene Crescendo wohlig unter die Haut gingen.

Bis zum Ende der zweiten Kantate also eine ordentliche Aufführung, doch im Chor „Ehre sei Gott in der Höhe“, den Müller in zu behäbigem Tempo begann, kam es zur klanglichen Havarie und Chor und Orchester drifteten gefährlich auseinander – eine Schrecksekunde, von der sich der Abend leider nicht mehr erholen sollte. Gerade das auf modernen Instrumenten spielende Heidelberger Kantatenorchester trat hier schmerzlich den Beweis an, dass zu routiniertes Spiel den sicheren Tod inspirierter Barockmusik bedeutet. Über den Rest sei also der Mantel des Schweigens gelegt und der Blick lieber auf das gerichtet, was vor dem Konzert in der Nikolaikirche zu erleben war: Dort führten die Mitwirkenden nämlich Bachs „Weihnachtsoratorium für Kinder“ auf, für das der österreichische Violonist Michael Gusenbauer eine altersgerechte Version erdacht hat.

Rund 100 Jungen und Mädchen erlebten mit ihren Eltern ein spannendes Dialogkonzert, in dem der Schauspieler Volker Metzger den Kindern anhand von bildhaften Klangbeispielen erklärte, wie Bach sein Oratorium komponiert hat. Die Idee war Gusenbauer, der sein sympathisches Musiktheater schon des Öfteren persönlich mit dem Mainzer Bachchor (der dort just an diesem Abend selbst BWV 248 komplett darbot) aufgeführt hat, angesichts der Kinder gekommen, die mit leuchtenden Augen ihre Eltern in ein Konzert begleiten und dieses dann schon bald nur noch mit geschlossenen „erleben“. Daher ersann er eine etwa 45-minütige klingende Erzählung, in der den kleinen Zuhörern erklärt wird, was so alles in Chor und Orchester und bei den Solisten passiert.

Auch in Alzey war das liebevolle Arrangement der Bachschen Musik ein voller Erfolg und die leuchtenden Kinderaugen blieben bis zum Schluss staunend aufgerissen, so viel gab es schließlich zu entdecken. In einem Interview zu seinem „Weihnachtsoratorium für Kinder“ hatte Gusenbauer betont, dass sein Werk auch den Erwachsenen etwas schenke, schließlich bereite es vielen Menschen Freude, vergnügte Kinder um sich zu haben. Und das hatten Hartmut Müller und seinen Chören auf jeden Fall geschafft. Vielleicht wird sich ja später der eine oder die andere daran erinnern, wenn in Alzey wieder Bachs Oratorium auf dem Plan steht? Schließlich wird es für viele Menschen auch dann noch einfach zu Weihnachten gehören.

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