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Mit Musik über Grenzen hinweg

MAINZ (22. Februar 2012). Fast hätte der Fußball über die Klarinette gesiegt. Und dann wäre Karl-Heinz Steffens, heute Chefdirigent der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und bis 2013 GMD der Staatskapelle und städtischen Oper Halle wohl Libero geworden.

Die Zeichen dafür standen nicht schlecht, denn das Instrument, das der damals zehnjährige Bub für eine Jugendkapelle in Lüxem bei Wittlich erlernte, fand er anfangs „eher doof“. Das änderte sich in den nächsten Jahren jedoch zum Glück so sehr, dass er ein Musikstudium nach nur fünf Semestern erfolgreich beendete und nach Stationen als Soloklarinettist an der Frankfurter Oper, im Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks sowie der Berliner Philharmonikern den Sprung ins kalte Wasser wagte und 2008 seinen erfolgreichen Weg als Dirigent einschlug.

Nicht nur das erfuhren die Gäste des „Aschermittwochs der Künstler und Publizisten“ zu dem das Bistum Mainz eingeladen hatte und namhafte Gäste wie Regisseur Dieter Wedel begrüßen konnte, über den Musiker, der im Gespräch mit Peter Stieber, seines Zeichens SWR2-Musikchef im Land, das Thema des Abends umriss: „Mit Musik über Grenzen hinweg“. Denn das gilt für Steffens wortwörtlich, lassen ihm doch seine Engagements in Halle und Ludwigshafen sowie Konzertreisen wenig freie Zeit. Da überraschte der Dirigent mit der Aussage, dass der Stress der Proben und Auftritte für ihn ein kreativer sei: „Die Arbeit gibt mir Energie und nach einem anstrengenden Probentag ist man wieder regeneriert.“

Einen weiteren thematischen Ball spielte Stieber seinem Gesprächspartner zu, als er ihn auf dessen Liebe zum Jazz ansprach, denn Steffens zeichne aus, dass er auch stilistisch „sichtbare und unsichtbare Grenzen“ übertrete. Der konterte damit, dass er jedes Schubladendenken ablehne und sich stets von Intellekt und Emotion inspirieren lasse: „Ich genieße die künstlerische Freiheit und vergleiche Leben und Arbeit mit einem Gang durch einen Wald, in dem man immer wieder Neues entdecken kann.“

Das tut Steffens, ob mit der vierten Sinfonie von Robert Schumann, wie ein kurzer Imagefilm zeigte, oder mit dem „Ring“ von Richard Wagner, den er aktuell in Halle und Ludwigshafen realisiert. Dass er mit seinem Schritt aus dem Orchestergraben ans Dirigentenpult ebenfalls eine Grenze überschritt, hat er allerdings „noch keine Sekunde lang“ bereut: „Irgendwann kam der Moment, wo ich mich um die ganze Partitur kümmern wollte und nicht mehr nur um die eigene Stimme.“ In kurzer Zeit lernte er vor allem durch das eigene Tun und erkannte, dass man als Chefdirigent nicht nur „gut pinseln“ können, sondern auch viel von Menschenführung verstehen müsse.

Erfahrungen sammelte er als Assistent Daniel Barenboims, dessen West-Eastern Divan Orchestra und völkerverbindende Arbeit er bewundert. Steffens selbst will auch die Generationen zusammenführen und in einer eher „synthetisch normierten Klangrealität“ gemeinsam wieder mehr für die klassische Musik gewinnen. Entsprechende Projekte wie eine „verlängerte Generalprobe von 6 bis 99“ stießen auf positive Resonanz und ermutigen den Dirigenten, in dieser Richtung weiter zu arbeiten: „Nur, wer etwas über die Musik weiß, kann sie verstehen und lieben.“

Klanglich abgerundet wurde das Gespräch um die grenzenlose Welt der Musik durch die Interpretation von vier der fünf „Wesendonck-Lieder“ Wagners: Die Mezzosopranistin Julia Faylenbogen sang am Flügel begleitet von Mzia Jajanizde „Der Engel“ und „Schmerzen“ sowie „Im Treibhaus“ und „Träume“. Letztere dienten dem Komponisten als Studie zu seiner Oper „Tristan und Isolde“, womit die Darbietung auch inhaltlich den Kreis zum Schaffen Karl-Heinz Steffens schloss.

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