Best of Bach
EBERBACH (21. August 2010). Dass das Rheingau Musik Festival Bachs Passionen aus dem Kirchenjahr herauslöst und als konzertantes Ereignis feiert, rechtfertigte Intendant Michael Hermann einmal maliziös mit dem Kommentar, dass zumindest das sommerliche Wetter zu Festival-Zeiten wohl mit den biblischen Begebenheiten übereinstimme. Humor im Sinne von gehobener Fröhlichkeit ist auch das Thema des „Oster-Oratoriums“ (BWV 249) von Johann Sebastian Bach, das jetzt unter der Leitung von Ulrich Stölzel in Kloster Eberbach zur Aufführung kam.
Barocke Pracht war der Impetus dieses Konzerts, spürbar nicht nur im Vorwärtsdrängen der skandierenden Streicher in der Sinfonia des Oratoriums und in den Chören des kurzweiligen D-Dur-Magnificats (BWV 243). Die Stimmen des Collegium vocale Siegen erwiesen sich dabei weitestgehend als stilsichere Interpreten der festlichen Klänge und gingen mit den Musikern des Kölner Kammerorchesters eine harmonische Allianz ein.
Beide Stücke sind in ihrer Art beispielhaft: Das Magnificat wirkt fast so, als hätte Bach jene unseligen Tonträger vorausgeahnt, die einem mit krudem Querschnitt selbst in der Klassik so manches „Best of…“ als Fahrstuhlmusik oder Bügelhilfe verkaufen wollen. An den liturgischen Rahmen gebunden präsentiert der Komponist hier ein Kompendium aller seinerzeit gängigen Kompositionsformen: Dahinrauschende Chöre und Arien mit zart kolorierten Charakterbildern zeigen im schwungvollen Kurzdurchlauf Bachs Kunst auf wunderbar lebendige Weise. Und auch im „Oster-Oratorium“ ist „alles drin“: Der Konzertcharakter der einleitenden Sinfonia wird in den folgenden Sätzen durch die Suite abgelöst und man hört exemplarisch Menuett, Bourrée, Gavotte und Gigue.
Das „Oster-Oratorium“, in dem die handelnden Personen – Maria Jacobi, Maria Magdalena, Johannes und Petrus – die Perspektive des Evangelisten durch eigene Erzählung ersetzen, ist per se nicht spannend. Statt einer dramatischen Handlung rückt Bach hier die Reflexion über die Auferstehung in den Mittelpunkt, wodurch das Gewicht auf den Arien und dem festlichen Schlusschor liegt. Allein die Auswahl der Solisten ließ einen hier jedoch mit einem lachenden und einem weinenden Auge zuhören.
Als Idealbesetzungen erwiesen sich zweifelsohne Klaus Mertens und Monika Mauch: Faszinierend das federnde „Quia fecit“ des Basses sowie die berückende Sopran-Arie „Seele, deine Spezereien“ und das „Quia respexit“! Anders sah es bei den Mittelstimmen aus: Dem schwebend leichten und doch blutvollen Ton Mauchs stand der allzu schlanke und kühle Altus Patrick van Goethems mit vergleichsweise anämischem Timbre gegenüber, das sich auch in den Duetten partout nicht mischen wollte.
Ein Pendant zur eleganten Noblesse von Mertens‘ Bass gab der phasenweise konturlose Tenor von Martin Petzold, dem man in puncto Intonation dezent ein Glas Zielwasser hätte reichen wollen und der seine Arien mit zu viel Druck eher absolvierte als gestaltete. So liefen zwei der schönsten Partien aus Bachs Feder – die Arie „Sanfte soll mein Todeskummer“ in BWV 249 und das Duett „Et misericordia“ im Magnificat – leider allzu schwungvoll ins Leere…
Dass das Konzert letztendlich doch zum Genuss wurde, lag vor allem an der Leistung des Orchesters: Das Kölner Kammerorchester war zu keinem Moment bloße Begleitung, sondern verlieh Oratorium und Magnificat durch sein geschmackvolles Spiel eine besondere Note. Herausragend waren hier vor allem die Bläsersolisten in den Arien und besonders im Adagio von BWV 249: Der lang gezogene Ton der Oboe zeigte fast greifbar die tieftraurige Verlassenheit am Fuße des Kreuzes, bevor das freudige Geschehen mit der Chor-Arie „Kommt, eilet, und laufet“ beginnt.