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Geschmackvolle Dramatik

MAINZ (3. Oktober 2011) Schon seit Jahren sind die Konzerte des Bachchors Mainz am 3. Oktober fester Bestandteil im Rahmen überregionaler Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit. In diesem Jahr vereinte man Brahms mit Bruckner, die Altrhapsodie des einen mit dem Adagio aus dem Streichquintett F-Dur und der Messe in f-moll des anderen.

Schon im ersten Stück des Abends, der Altrhapsodie op. 53 von Johannes Brahms (1833-1897) vermochten die Männerstimmen des Bachchors gemeinsam mit Gerhild Romberger und der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz die hohen Maßstäbe festzulegen, an denen sich nahezu jede Minute des Konzerts messen lassen durfte. Klanglich ausnehmend dicht steigt das Orchester ein in diese Vertonung eines Fragments aus Goethes „Harzreise im Winter“ und gefällt mit theatralischer Geste, ohne aus dem Klagelied ein Theater zu machen.

Vergeistigt beschwört Rombergers klarer Alt die verschlingende Öde, die Schmerzen und den Menschenhass des Besungenen, der sich doch nach Liebe sehnt. Als der transparente und satte Männerchor einsetzt, bildet er einen watteweichen Unterbau, auf den sich die Altstimme wohlig betten kann. Romberger nutzt die vokal ausgestreckte Hand für ein Miteinander, in dem die Schlüsselwörter nicht bewusst betont, sondern als Zielpunkte auserkoren kunstvoll angesungen werden.

Vor dem Kraftakt der Messe von Anton Bruckner (1824-1896) ertönt ein Werk, das die Stimmung der ruhig verklungenen Altrhapsodie weiterspinnt: das anrührende Adagio aus dem Streichquintett F-Dur in der orchestralen Bearbeitung von Fitz Oeser (1911-1982). Mit durchdachter Dynamik wandert Dirigent Ralf Otto durch die Partitur, wobei er zeitlich kaum messbar immer wieder innehält, um die Süße des Augenblicks zu kosten. Die Staatsphilharmoniker gefallen dabei vor allem in gehauchten Pianissimo-Passagen und schaffen Spannung durch Entspannung.

In Bruckners dritter Messe f-moll ist die Kraft vom ersten bis zum letzten Takt spürbar: Sprachliche Finesse und Momente von bestechender Opulenz zeigen, wie gut der durch Studierende des Musik-Hochschul-Chores verstärkte Bachchor Mainz aktuell aufgestellt ist und sich in die zur Zeit ihrer Entstehung als unsingbar empfundene Komposition hineinfühlt.

Nachdem Tenor Christian Elsner im Credo lyrische Zuversicht gepredigt hat, kippt die Stimmung gekonnt ins Morbide und die Bläser intonieren zu Christi Begräbnis einen fahlen Hymnus, bevor die Choristen mit einem aufbrausenden „Et resurrexit“ die Auferstehung preisen. Ein ätherisches „Sanctus“ mit pochendem Crescendo, der zarte Fluss des Benedictus‘ – das Solistenquartett, in dem neben Romberger und Elsner Susanne Bernhard (Sopran) und Thomas E. Bauer (Bass) gefallen, spiegelt sich trefflich in der Homogenität der Klangkörper. In der Abwärtsbewegung der Oboe verklingt das sanfte Agnus Dei und auch nachdem Dirigent Ralf Otto schon lange die Arme gesenkt hat, braucht es seine Zeit, bis das Publikum aus dem tonalen Bann erwacht und den Künstlern des Abends mit rauschendem Beifall Dank zollt.

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