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Geistliches Konzert als musikalischer Gottesdienst

WIESBADEN (8. Dezember 2019). Dass in der Bachwoche Wiesbaden die Musik des Barock im Mittelpunkt steht, ist selbstverständlich. Doch wird der Veranstaltungsreigen umso farbenfroher, je weitere Kreise er zieht. Nach Händels in Dublin uraufgeführtem „Messiah“ ging es jetzt mit Vesperpsalmen des italienischen Komponisten Virgilio Mazzocchi (1579-1664), seines Bruders Domenico (1592-1665) und ihres Zeitgenossen Francesco Severi (~1595-1630) ins barocke Rom.

Hundert Jahre nach Luthers Reformation blühte im Süden Europas der Katholizismus, was sich in Malerei und Architektur, vor allem aber in der Musik spiegelte. Gottesdienste wurden prachtvoll ausgestaltet, die Vespern rückten das gesungene Wort in den Mittelpunkt. In dieser Zeit schrieb Mazzocchi seine Psalmvertonungen, die jetzt in einer eigens für das Konzert in der Marktkirche kunstvoll kompilierten Liturgie als geistliches Konzert und musikalischer Gottesdienst gleichermaßen erklangen.

Ausführende waren 16 junge Vokalkünstler, die sich eine Woche lang im Exzellenzprogramm BarockVokal der Hochschule für Musik in Mainz mit dieser barocken Pracht auseinandergesetzt hatten. Und es spricht nicht nur für dieses herausragende universitäre Angebot, sondern vor allem auch für Kursleiter Christian Rohrbach, dass diese Stimmen zu einem mehr als überzeugenden Chor zusammenfanden, wobei das Publikum auch in den Genuss exquisiter Solistendarbietungen kam.

Hier beeindruckten vor allem Sonja Grevenbrock (Sopran), die mit betörender dynamischer Abstufung täuschend real ein Echo andeutete, die Tenöre Fabian Kelly und Daniel Tilch (der für die verbindenden Antiphone geschmackvoll in die Rolle des Kantors schlüpfte), die Alti Jeff Mack und Larissa Botos sowie der kraftvoll packende Bass von Florian Küppers. Sie seien stellvertretend für alle teilnehmenden Sängerinnen und Sänger genannt, von denen sich nur manche öfters vom Notentext hätten lösen und Kontakt zum Dirigenten aufnehmen können.

Die grandiose Darbietung aller wurde letztlich aber nur dadurch gestört, dass den Organisten Veit Pitlok und Martin Lutz zu oft Patzer unterliefen – Glück im Unglück war da, dass sich die bestens vorbereiteten Vokalisten durch diesen Gegenwind aus den Orgelpfeifen kaum aus dem Konzept bringen ließen und die zwei- bis zehnstimmigen Psalmen stilsicher intonierten.

Das Wiesbadener Konzert wird wiederholt – und zwar an historischem Ort: In wenigen Tagen reisen die Künstler zu einem musikwissenschaftlichen Kongress nach Rom, wo Christian Rohrbach ein Konzert in der Kirche „Santa Maria in Vallicella“ dirigieren wird. Dann singen die Vokalisten auch räumlich wie einst: von zwei gegenüber liegenden Choremporen mit eigenen Orgeln, wobei der Zuhörer sie nicht sehen, sondern „nur“ ihren bereits in Wiesbaden angestimmten, wunderbaren Gesang wird hören können.

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