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Gelungener Einstand

FRANKFURT (5. April 2025). Man hätte dieses Portrait von Georg Friedrich Händel, das der Maler Leopold Bode im Auftrag des Cäcilien-Vereins im 19. Jahrhundert nach einer Vorlage erstellte, zum Konzert in der Dreikönigskirche nicht rechts, sondern links vom Chor aufhängen sollen: So schaute der Komponist nämlich in die falsche Richtung, weg von den Musizierenden. Dazu hatte er während des Debütkonzerts von Christian Rohrbach als neuem Dirigenten des Cäcilienchors Frankfurt aber nun wirklich keinen Grund.

Im Gegenteil: Die Darbietung des selten aufgeführten und daher nicht ganz so geläufigen Oratoriums „Alexander’s Feast or The Power of Musick“ entstand 1736 als Ode an die heilige Cäcilie und steht damit in einer Reihe thematisch ähnlich gelagerter Werke, die der Schutzpatronin der Kirchenmusik huldigten. Händel tat dies mit Versen des Dichters John Dryden. 1.300 Zuhörer lauschten der Uraufführung im Covent Garden Theatre. Ins Frankfurter Konzert kamen leider weit weniger. Doch die, die da waren, erlebten eine wunderbare Aufführung.

Nun ist Christian Rohrbach nicht nur ein musikalisches Multitalent (Chordirigent, Sänger, Liedpianist, Hochschuldozent), sondern hat vor allem ein Händchen für die Barockmusik. Für das Konzert konnte er neben drei ausgezeichneten Solostimmen die Neue Hofcapelle Frankfurt gewinnen, die dem Konzert ein stabiles, historisch informiertes Gerüst stellte, in dem sich der Cäcilienchor sicher bewegen konnte. Überschäumende Spielfreude spiegelte sich trefflich in der dargestellten mythischen Szenerie.

Für die Uraufführung hatte Händel das Harfenkonzert HWV 294 Nr. 6 aus op. 4 komponiert und es an passender Stelle (Timotheus greift „with flying fingers“ in die Saiten der Leier) platziert. Da auch dem Frankfurter Konzert ebenjene Fassung zugrunde liegt, erklingt es ebenfalls und ganz wunderbar interpretiert von Henriette Urban.

Transparent und mit Schwung nimmt das Orchester das Publikum mit: Zachary Wilder erzählt lebendig (und very british pronounced) die Geschichte um Krieg und Liebe mit kraftvoll hellem Tenor, dem man einfach gerne zuhört. Ganz bezaubernd singt auch Julia Kirchner mit seidiger Eleganz und mimischer Präsenz, die einen mitnimmt. Wer auch immer meint, barocke Partien mit ordentlich Vibrato in der Stimme gestalten zu müssen, sollte sich diese Sopranistin anhören: Kirchner gestaltet ihre Partien mit einem nur ganz leicht federnden Oszillieren der Stimme, eher spür- als wirklich hörbar – einfach zauberhaft!

Und Bass Uwe Schenker-Primus? Der hat leider nur vergleichsweise wenig zu singen. Warum bloß, Herr Händel? Denkt man sich die Brille des graubärtigen Sängers weg und stellt man sich ihn dafür in einer Tunika vor, steht da doch leibhaftig Bacchus, der Gott des Weins, vor einem und besingt die Freuden des Trinkens. Blutvoll und mit packendem Timbre gestaltet der Sänger seine beiden Partien mit binnendynamischer Klugheit und Hand in Hand mit den Musikern, die ihm da fast schon ein plastisches Bühnenbild hinzimmern.

Im Zentrum des Geschehens steht natürlich auch der Cäcilienchor, den Rohrbach nicht nur gut vorbereitet hat, sondern dem er offensichtlich plausibel vermitteln konnte, wie er Händel interpretieren möchte. Dass man in den Männerstimmen zuweilen eine reifebedingte Intonationsstreuung registrierte, fiel letztendlich kaum ins Gewicht: Die Neue Hofcapelle Frankfurt nahm den Chor kraftvoll zupackend an die Hand und gab ihm sicheres Geleit. Wenn das ein Ausblick auf Kommendes war, dann machte dieser vor allem neugierig.

Am Schluss folgte das Publikum dem bereits am Ende des ersten Teils angestimmten Chor: „The many rend the skies with loud applaus“ – zu Deutsch: Die Menge füllte die Himmel mit lautem Beifall. Und das verdientermaßen. Die nächsten Konzerttermine stehen bereits fest, zu hören sind demnächst unter anderem Igor Stravinskys „Psalmensinfonie“ und Felix Mendelssohns „Lobgesang“. Weitere Informationen gibt es unter http://www.caecilienchor.de.

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