Klänge aus der Stauferzeit
MAINZ (1. Juni 2013). „Uns ist in alten mæren“, so lautet der Anfang des Nibelungenliedes, den wohl jeder Student des Mittelhochdeutschen auswendig aufsagen kann. Jenes Heldenepos um die Zerschlagung des Burgunderreiches umfasst weit über 2000 Strophen, von denen einige jetzt in einem besonderen Konzert in der Mainzer Karmeliterkirche erklangen.
Denn genau mit diesen Versen, intoniert von Petter Udland Johansen (Tenor), begann auch das Gastspiel der Capella Antiqua Bambergensis in der Karmeliterkirche, das auf Einladung des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz e.V. stattfand.
Mit dem Spezialisten-Ensemble für Mittelalterliche Musik hatte man bereits vor zwei Jahren zusammengearbeitet, als das Institut an einer 3D-Rekonstruktion des einstigen Kaufhauses am Brand arbeitete und dessen Präsentation von der Capella Antiqua musikalisch umrahmen ließ.
Während man ebenjenes Modell im Landesmuseum bestaunen kann, wurde in den Mauern der Karmeliterkirche die Zeit des 13. und 14. Jahrhunderts in Form der Musik lebendig: Die Capella Antiqua Bambergensis ist ein engagiertes „Familienunternehmen“, das von Prof. Dr. Wolfgang Spindler geleitet wird. Dessen Frau Anke sowie die Söhne Thomas und Andreas bilden ein bemerkenswertes Ensemble – vor allem deshalb, weil die Musiker tief in die Klangwelten vergangener Zeiten eintauchen und ihr Publikum damit auf eine spannende Reise mitzunehmen verstehen.
Begleitet wurden die Musiker der Capella Antiqua von zwei weiteren Spezialisten für Alte Musik: Neben Sänger Petter Udland Johansen, der auch die norwegische Hardingfele, eine der Violine ähnelnde Kastenhalslaute spielt, durfte das Mainzer Publikum Arianna Savall (Gesang und gotische Harfe) begrüßen. Dank solcher Künstler wird das musikalische Erbe jener Tage lebendig gehalten, auch wenn es in den Ohren heutiger Hörer zuweilen etwas sperrig und ungewohnt klingen dürfte.
Damit ähnelt die Musik allerdings den Instrumenten, die Andreas Spindler für die Capella Antiqua fertigt: Statt einer elegant geformten Gambe sieht man einen kantigen Resonanzkörper, dem der Musiker jedoch wunderbar sanfte Klänge entlockt. Man lernt Blasinstrumente wie Pommern und Schalmeien kennen und hört die Saiten von Lyra und Schlüsselfidel. Überraschend präsent klingen die Töne einer Miniaturorgel, die Wolfgang Spindler da auf seinem Schoß hat und per Blasebalg zum Klingen bringt, während seine Gattin in ein mit einer gegerbten und geölten Schweinsblase versehenes Platerspiel bläst.
Mit Harfe und Dudelsack, Fidel und Drehleier sowie Gesang schaffen die Künstler des Abends eine ganz eigene Atmosphäre: Hildegard von Bingen erklingt, das Rolandslied und Stücke aus dem berühmten „Llibre Vermell de Montserrat“ sowie Lieder von Alfonso el Sabio (1221-1284) – beeindruckende Kunstfertigkeit geht hier mit Liebe zur Musik und dem Wissen um ihre historischen Eigenheiten eine hinreißende Liaison ein.